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Constanze Denning: VERKAUFT

07.05.2020 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

Constanze Denning
VERKAUFT
Alma Liebeskind ermittelt
256 Seiten, Verlag Ueberreuter, 2020

Freizeit ist auch Krimi-Zeit, und bekanntlich begeben sich Leser gern in die behagliche Gesellschaft von (meist in Mordfällen „ermittelnden“) Damen oder Herren, die sie schon in früheren Büchern schätzen gelernt haben. Alma Liebeskind-Spanneck ist nun schon bei ihrem vierten Abenteuer angelangt (und Autorin Constanze Denning dabei schon bei dem dritten Verlag). Wieder ist die quirlige Nervenärztin, die so wenig Zeit für ihre Praxis hat, weil es sie in ihren Ermittlungen dermaßen herumreißt, in einen wilden Fall verwickelt – wild im vollsten Wortsinn.

Gut, dass Alma als Ich-Erzählerin dermaßen ironisch, gewissermaßen „über drüber“ dahinstürmt, dass man ihr auch alle Abenteuer abnimmt – selbst wenn sie sich samt ihrer gleichfalls höchst umtriebigen Mutter in Tschadors hüllt (dunkelbraune Kontaktlinsen inbegriffen), und die beiden Damen sich als „taubstumme“ (!) Flüchtlinge in eines jener Heime begeben, wo Migranten-Frauen auf ihr weiteres Schicksal harren. Wer’s glaubt, wird selig, aber darauf kommt es eigentlich nicht an, auch nicht auf den schon sehr klischeebehafteten Handlungsstrang von der undurchsichtigen  Privatklinik, wo geheimnisvolle und kriminelle Experimente am Menschen unternommen werden. Das hatte man schon ein paar Mal zu oft.

Aber Constanze Denning hat mit einer Überlegung Recht: Dass wir uns vermutlich kaum vorstellen können, unter welchen Bedingungen Flüchtlingsfrauen leben, und uns nicht fragen, wie sie in ihrer Hilflosigkeit verbrecherisch ausgenützt werden können – und wie hoffnungslos ihre Situation für viele von ihnen wohl ist. Denn die Autorin setzt sich auch nicht die rosarote Brille auf, wenn sie in die Welt jugendlicher Täter hineinblendet, die einen „Ehrenmord“ an einer schwangeren Schwester völlig gerechtfertigt finden… das ist Scharia, also halal, nicht wahr? (Abgesehen davon, dass dieser Täter dann noch eine Pointe bezüglich seiner Herkunft liefert.) Nein, Almas Kaltschnäuzigkeit ist auch die der Autorin, die ihre Leser auf viele Arten unterhält.

Etwa in der Zeichnung der bekannten Figuren – die coole, wenn auch klammernde Mama, die aber sehr nützlich ist, wenn sie die vernachlässigte Ordination der Tochter in Schwung hält. Der sentimentale Freund, die lockere Polizistin-Freundin und ein paar weitere originelle Wiener Figuren. Ganz abgesehen davon, dass – total unerwünscht von der Tochter – auch noch der Vater auftaucht, der sich vor Jahrzehnten verdrückt hat.

Obwohl die Autorin in Linz geboren wurde und heute in Graz lebt und schreibt und praktiziert (auch Constanze Denning ist Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie), kennt sie sich in Wien gut aus, singt ein Loblied der Straßenbahn-Linie D, hat nur Häme für die „Gutmenschen“-Produktionen im Kabelwerk übrig und spottet über das „Landtmann“. Das beweist Orts- und Milieukenntnis. Fast läuft die Räuberpistole rund um die Privatklinik und die teils brutal ermordeten Flüchtlinge am Rande. Die Heldin des Buchs ist Alma. Um ihretwillen wird man es lesen.

Renate Wagner

 

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