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CONSTANTIN TRINKS: Nun mehr im Konzertsaal

10.09.2015 | Dirigenten, INTERVIEWS

Gespräch mit CONSTANTIN TRINKS

Nun mehr im Konzertsaal

Von Renate Wagner


Constantin Trinks. Foto: Barbara Zeininger

Constantin Trinks steht am Dirigentenpult, wenn das Theater an der Wien seine Saison 2015 / 16 mit der selten gespielten Marschner-Oper „Hans Heiling“ eröffnet. Auch zahlreiche andere Opern-Termine finden sich in seinem Kalender, aber der 40jährige ist froh, dass es ihm endlich geglückt ist, auch mehr Konzerttermine wahrzunehmen.

 

Herr Trinks, als wir einander zuletzt begegneten, im Juni 2014, hatten Sie an der Wiener Staatsoper eben erstmals, und zwar eine „Zauberflöte“, dirigiert. Damals lag die „Hans Heiling“-Premiere noch in weiter Ferne. Jetzt steht sie im Theater an der Wien bevor. Wie fühlen Sie sich kurz vor der Premiere?

Eigentlich sehr gut. Roland Geyer und ich hatten, als wir über Werke sprachen, auch die „Perlenfischer“ erwogen, aber dann meinten wir, dass Marschners „Hans Heiling“ mir näher liegt, und das stimmt. Es ist doch eine sehr interessante Oper mit fesselnden Stücken, etwa das Melodram der Getrude, der Mutter der Heldin Anna: Das ist so gruselig, da stellen sich die Nackenhaare auf. Marschner hat da Tolles mit der Instrumentation erreicht, tiefe Holzbläser, tiefe Streicher, eine absolut düstere Melodik.

Wie lange braucht man, so eine Partitur, die Ihnen ja ganz neu war, zu erarbeiten?

Nun, ich bin ja Wagner-geeicht, das benötigt nicht so viel Zeit wie Wagner oder Strauss, ein Maschner ist überschaubar, schön instrumentiert, aber nicht übertrieben komplex. Vieles an der Musik ist auch noch schlichtes Biedermeier, das ist dann heikel, weil man es sehr transparent halten muss. Die Akustik im Theater an der Wien verzeiht nichts. Aber es ist sehr schön, mit dem Radio-Sinfonieorchester zusammen zu arbeiten.

Wie wird die Wiener Inszenierung aussehen? Romantische Stücke dieser Art sind ja schwierig, und Roland Geyer ist ja nun eher ein Profi als Intendant denn als Regisseur.

Vom Konzept will ich keinesfalls etwas verraten, außer dass es mich durchaus überzeugt. Was Geyer macht, hat Hand und Fuß. Natürlich kann man das Werk nicht eins zu eins hinstellen, wie es 1833 geschaffen wurde, es ist ein moderner Zugriff, es sind heutige Bilder, aber auf jeden Fall ist es eine sehr musikalische Inszenierung. Die Erdgeister, aus deren Kreis Hans Heiling kommt, sind hier jedenfalls keine realen Wesen.

„Hans Heiling“ stammt aus dem Jahr 1833, Wagners „Fliegender Holländer“ aus dem Jahr 1843, es war immer wieder von Verwandtschaft der Werke, von Inspiration Wagners durch diese „Erdgeist“-Figur des Hans Heiling die Rede?

Ich halte das für gut möglich, und man kann Heiling auf jeden Fall als „Holländer“-Vorläufer betrachten, ich finde dort sogar Melodienfolgen, die ich später bei Wagner wieder höre – ohne zu unterstellen, dass dieser bei irgendjemandem abschreiben musste! Jedenfalls kommt der Held in beiden Opern aus einer anderen Welt und versucht leidenschaftlich, eine Frau für sich zu gewinnen. Vieles ist bei Marschner schon „wagnerisch“, es gibt ein komplett durchkomponiertes Vorspiel, das interessanterweise vor der Ouvertüre kommt, danach allerdings schieben sich neben Rezitativen auch gesprochene Dialoge dazwischen. Es ist stilistisch aus einem Guß, trotzdem kann man den volkstümlichen Ton vielleicht als Schwierigkeit empfinden.

Was können Sie uns über die Besetzung der Rollen sagen?

Hans Heiling ist Michael Nagy, ein ganz vorzüglicher Bariton, mit dem ich auch im November in München in „Cosi fan tutte“ zusammen arbeiten werde. Stephanie Houtzeel von der Staatsoper bekommt als Gertrude das wunderbare Melodram zu singen, von dem ich gesprochen habe, und als Heilings Mutter ist Angela Denoke angesetzt, der ich zum dritten Mal in meinem Leben begegne: Wir haben in Dresden einen „Rosenkavalier“ gemacht, dann hat sie beim Silvesterkonzert im Theater an der Wien die Vier letzten Lieder gesungen, und nun ist sie die dämonische Königin. Katerina Tretyakova, eine russische Sopranistin, viel gefragte Traviata, begibt sich mit der Anna in ein neues, lyrischeres Fach. Und der Tenor des Stücks, der mit Heiling um Anna kämpft, ist der Österreicher Peter Sonn, und er ist so gut, dass er die abartig schwere Arie des Konrad, die immer wieder gekürzt werden muss, zur Gänze singen kann, was wunderschön ist.

Eigentlich ist ja auch in den Stimmlagen des „Hans Heiling“ eine Parallele zum „Holländer“ gegeben.

Ich habe auch eine Theorie über Stimmlagen entwickelt. Es ist ja in der Oper nicht oft der Fall, dass der Held kein Tenor, sondern ein Bariton ist. Das beginnt schon mit dem „Don Giovanni“, geht von „Hans Heiling“ über den „Holländer“ und Schumanns „Faust“ bis zum „Wozzeck“. Ich glaube, immer wenn Komponisten Außenseiter und Grenzgänger in den Mittelpunkt ihrer Werke gestellt haben, wählten sie diese dunklere Stimmlage. Wagner ging zwar für Lohengrin und Tannhäuser, die ja auch beide klassische Außenseiter sind, der eine aus einer anderen Welt, der andere, der seine Welt verlassen hat, zu den Tenören zurück, aber das sind dann doch ganz neue Arten von Sängern, die von ihm gefordert wurden.

Es läuft also alles immer auf Wagner hinaus.

Absolut. Alles, was im deutschen Musiktheater vor ihm war, alles was nach ihm kam, kreist rund um ihn.

Und er war lange Zeit der für Sie wichtigste Komponist. Sie haben ja zuletzt Ihren ersten „Tristan“ in Sofia gemacht, weil es Ihnen zu riskant schien, für dieses Werk gleich in eine Repertoirevorstellung in einem großen Haus hineinzuspringen. Wie ist das Sofia-Experiment ausgegangen?

Fabelhaft, weil wir so gute Sänger hatten, die auch nach langer Vorbereitungszeit ihre Rollen perfekt beherrschten. Mit dem Orchester war die Arbeit ein bisschen schwieriger, aber auch erfolgreich. Der Sänger des Tristan, Martin Iliev, war so gut, dass ich mir für ihn eine große internationale Karriere vorstellen könnte, aber ich glaube, er bleibt einfach lieber bei sich zuhause. Was mich betrifft, jetzt sitzt der „Tristan“ so gut – ich warte auf Angebote, bitte.

Sie haben in letzter Zeit aber einiges Neue gemacht, das vom ewig gleichen Wagner-Strauss-Mozart-Repertoire abweicht.

Ja, Britten ist ein toller Komponist, ich freue mich, „Turn of the Screw“ in Zürich gleich nach der Wiener Marschner-Serie wieder aufzunehmen. Dann habe ich Henzes „La Gisela“ in Palermo gemacht, nicht sein bestes Werk, aber eine interessante Produktion in diesem prachtvollen Teatro Massimo, das leider baulich ein wenig verfällt. Wenn ich nach Wien in München je dreimal „Cosi fan tutte“ und „Arabella“ dirigiere, sind das zwar Werke, die ich kenne, aber tatsächlich habe ich jedes erst einmal in meinem Leben dirigiert, also sind sie fast neu. Außerdem ist „Cosi“ eine meiner Lieblingsopern – und dass es immer noch die alte Dieter-Dorn-Inszenierug ist, die mich schon so beeindruckt hat, als ich sie als Teenager einst im Fernsehen sah, finde ich wunderbar. Und an „Arabella“ freut mich, dass ich Anja Harteros wieder treffe, mit der ich auch schon einmal in Dresden einen „Rosenkavalier“ gemacht habe.

Und wo bleibt Wagner, wo Sie doch als Spezialist für diesen Komponisten gelten?

Da kommt vorläufig nur das „Liebesverbot“ wieder, das ich ja 2013, im Jubiläumsjahr, in Bayreuth dirigiert habe. Nun steht nächsten Mai in Straßburg eine Neuinszenierung an, und ich freue mich sehr, noch einmal diesem Stück zu helfen, um es so auszudrücken, denn ich mag es sehr, Man muss es zwar kürzen, die Instrumentierung ist stellenweise zu üppig, aber es ist witzig, die Musik feurig und voll von melodischen Einfällen.

Also bleibt Oper der Schwerpunkt? Und ist dieses Hin- und Herrasen zwischen den Städten nicht sehr belastend für das Privatleben?

Ja, ich merke es immer mehr – auch wenn man dann für eine „Walküre“ in Seoul einspringt und nach elfstündigem Flug zwei Stunden später vor dem Orchester steht… Das Familienleben leidet doch sehr, ich habe das unterschätzt. Wir leben jetzt nicht nur in Berlin, sondern auch in St. Petersburg, wo meine Frau ihre Familie hat. Unsere Tochter ist sechs Jahre alt, kommt in die Schule, interessiert sich sehr für Musik und Ballett, und da hat sie in Russland die besseren Ausbildungsmöglichkeiten. In den Jahren, die ich nun frei schaffend bin, sehe ich nicht so viel von meiner Familie, wie ich möchte. Darum denke ich, der Idealfall wäre doch, wenn man Chef eines guten Orchesters würde, damit das Leben etwas Kontinuität erhält, und das ergäbe auch die Möglichkeit, Konzertprogramme zu machen, was ich sehr gerne tue. Ich träume, einmal einen Bruckner- und einen Mahler-Zyklus zu dirigieren.

Bringen Konzerte nicht sehr viel weniger mediale Aufmerksamkeit als die Opernarbeit?

Das gilt ja eigentlich nur für Neuinszenierungen, wenn man Opern-Repertoire dirigiert, ist die Aufmerksamkeit der Presse auch nicht groß. Aber das Konzertrepertoire bietet so viele interessante Dinge, und ich bin froh, dass es mir gelungen ist, mehr davon in meinem Kalender zu positionieren. Beispielsweise dirigiere ich am 8. November im Großen Festspielhaus in Salzburg eine Sonntagsmatinee des Mozarteum-Orchesters, nicht nur mit dem Violinkonzert von Jean Sibelius, sondern auch mit der Symphonie in E-Dur von Hans Rott, den kaum jemand mehr kennt und der ein so interessanter Mann war. Er war Bruckner-Schüler, ein Freund von Mahler, und schrieb diese seine einzige Symphonie im Alter von 20 Jahren. Mit 26 ist er gestorben. Gustav Mahler kannte die Partitur, und es besteht große Verwandtschaft zu dessen späteren Werken. Ich habe mehrere Konzerttermine vor mir, in Freiburg werde ich Bruckners Sechste dirigieren, nächsten Sommer gebe ich mein Debut mit den Münchner Philharmonikern. Aber es sind natürlich auch neue Opernproduktionen im Gespräch, mit München etwa und auch mit dem Theater an der Wien. Der Jammer ist natürlich, dass man auch sehr viele Anfragen ablehnen muss, weil es sich terminlich nicht ausgeht – das Bolschoi klappt wohl nicht, Seattle war nicht möglich, Toronto vielleicht… man muss schrecklich viel absagen.

Gibt es offene Wünsche?

Natürlich. „Die schweigsame Frau“ zum Beispiel, vielleicht realisiert sich das 2017 in München. Auch Humperdincks „Königskinder“ würde ich sehr gerne machen. Aber was mir am dringendsten fehlt, sind „Othello“ und „Falstaff“, die ich unbedingt einmal machen möchte. Früher habe ich sehr viel Verdi dirigiert, aber wenn man frei schaffend ist und in der „Wagner und das deutsche Repertoire“-Schublade steckt, bekommt man so etwas nicht angeboten. Das wären die Wünsche für die nächsten Jahre…

Aber schon auch „Tristan“ an einem großen Haus?

Oh ja, das vor allem.

 

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