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Christoph Wagner-Trenkwitz: SIE KANNTEN RICHARD STRAUSS

23.12.2013 | Allgemein, buch

 

BuchCover Trenkwitz, Richard Strauss

Christoph Wagner-Trenkwitz:
SIE KANNTEN RICHARD STRAUSS
Ein Genie in Nahaufnahme
224 Seiten, Amalthea Verlag, 2013

Eine Lawine, wie sie 2013 anlässlich der 200. Geburtstage von Wagner und Verdi durch die Medien und den Buchmarkt gegangen ist, wird es 2014 vermutlich nicht geben, wenn sich am 11. Juni der Geburtstag von Richard Strauss zum 150mal jährt. Andererseits ist er einer der fünf erfolgreichsten, meist gespielten Opernkomponisten der Welt, und kein Zweifel, dass man ein paar dicke biographische und interpretierende Wälzer erwarten kann.

Diese werden allerdings, da sie sich natürlich auch auf das Material aus erster Hand stützen müssen, auf vieles zurückgreifen, was Christoph Wagner-Trenkwitz geduldig zusammen getragen hat. Er zeigt das „Genie in Nahaufnahme“ in den Berichten der Zeitgenossen und wie er in seinen eigenen Briefen erscheint. Dass da viel Widersprüchliches auftaucht, macht dann sogar den besonderen Reiz eines solchen Buches aus. So wie keine Theateraufführung von zwei Menschen gleich erlebt wird, so hinterlässt auch jeder Mensch bei anderen Menschen einen anderen Eindruck. Richard Strauss also, von vielen Seiten her betrachtet.

Das Buch stellt seine Dokumente chronologisch zusammen: der kleine Junge (das „auffallend schöne Kind“), die Eltern, die Schulfreunde. Früh schon kommt Romain Rolland zu Wort, der den 34jährigen kennen lernte und ihn blass und unsicher wirkend erlebte, im Gegensatz zu seiner überschäumenden Musik. Das nächste Kapitel gilt Pauline de Ahna, der Ehefrau, einer der umstrittensten und vielfach auch übelst beleumdeten Damen ihrer Zeit, wenngleich als Sängerin gerühmt. Sie war wohl ein „Original“, das sich keine Mühe machte, sich zu verstellen, für Strauss sein „Bauxerl“ und seine unverzichtbare Gefährtin, die auch Gustav Mahler warten ließ, um den Gatten beim Nachmittagsschläfchen nicht zu stören… Auch verdankt man ihr offenbar den „Rosenkavalier“, denn in einem Brief an Roller schrieb Strauss, ihm gefiele das Zarte, Ätherische, das Hofmannsthal ihm da geliefert hatte, gar nicht: „Meine Frau befiehlt: Rosencavalier. Also Rosencavalier! Der Teufel hole ihn!“ So kommt man zu seinen größten Erfolgen. Missverständnisse und Krach mit Pauline brachten übrigens die Oper „Intermezzo“ hervor…

Prominente Zeitgenossen kommen zu Wort, die Autoren, die Strauss näher kannten (Stefan Zweig, der für ihn die „Schweigsame Frau“ schrieb, vermerkte, dass er es hier mit keinem aufgeregten „Künstler“, sondern mit einem nüchtern arbeitenden Handwerker auf höchsten Niveau zu tun hatte), Manfred Mautner Markhof, mit Strauss zwei Jahrzehnte lang befreundet, berichtet, es gibt die Aufzeichnung eines Gesprächs von 1979, in dem unter der Leitung von Marcel Prawy u.a. große Strauss-Interpreten wie Viorica Ursuleac und Hans Hotter sich an den Meister erinnerten.

Vor allem aber kommen die beiden Strauss-Enkel, Söhne von dessen einzigem Sohn Franz und dessen jüdischer Frau Alice, zu Wort: Enkel Richard (1927 -2007) hat seine Erinnerungen an den Großvater noch niedergeschrieben, Enkel Christian (geboren 1932) stand Christoph Wagner-Trenkwitz 2009 und dann noch einmal im Sommer 2013 in seinem Haus in Garmisch-Partenkirchen Rede und Antwort. Da kommt dann auch jenes Thema zur Sprache, mit dem man sich zweifellos ausführlich befassen wird, nämlich dem scheinbaren Nahverhältnis von Strauss zu den Nationalsozialisten, das vom Enkel vehement geleugnet wird: Großpapa sei „der unpolitischste Mensch, den man sich vorstellen kann“ gewesen, allerdings zugegebenermaßen auch ein Opportunist: „Er hat das gesucht, was ihm nützt. ‚Mein Werk an allererster Stelle, an zweiter Stelle meine Familie. Der Rest ist mir ziemlich egal.’“

Auch das wird relativiert durch Berichte, dass Strauss sich durchaus um seine Mitmenschen gekümmert hätte. Anekdotisches fließt reichlich ein, etwa über sein gelegentlich schroffes Wesen, mit dem er auch Karl Böhm kränkte, der besonders darunter litt, dass Strauss letztendlich Clemens Krauss als Dirigenten vorzog… Und die beiden Strauss-Enkel haben den Böhm-Sohn Karlheinz gar nicht leiden können, weil dieser immer „so brav“ war und ihnen als Vorbild hingestellt wurde.

Strauss also von vielen Seiten betrachtet. Dass er vorwiegend hoch positiv dabei aussteigt – wer möchte es dem Autor, zweifellos ein Bewunderer, verübeln?

Renate Wagner

 

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