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Christoph Schmetterer: KAISER FRANZ JOSEPH I.

28.05.2016 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

BuchCover  Schmetterer   Franz Joseph

Christoph Schmetterer:
KAISER FRANZ JOSEPH I.
232 Seiten,
Böhlau Verlag, 2016

Runde Geburtstage funktionieren bei 25er Endungen, bei 50ern, aber am beliebtesten sind logischerweise die Hunderter. Schon beim ersten Hunderter kann man – wie man meinen sollte – gebührende historische Distanz zwischen die Gegenwart und die Vergangenheit legen, und später wird das Urteilen immer noch ergiebiger.

Jedenfalls bringen die Hunderter die entsprechende Sachbuch-, meist Biographienfülle. So auch im Fall vom 100. Todestag von Kaiser Franz Joseph, der, wie immer man ihn beurteilt, eine Persönlichkeit von welthistorischer Bedeutung war, schon allein deshalb, weil er einem der Großreiche in Europa vorstand. Und das lange Zeit sogar mit absoluter Befehlsgewalt.

Die Publikationen sind zahlreich, wobei es interessant ist, bei einem Verlag wie Böhlau, bekannt für seine schwergewichtigen, schwierigen historischen Werke nun eine Biographie vorzufinden, die man schon ihres Umfangs wegen (232 Seiten) durchaus und absichtsvoll als „Franz Joseph light“ bezeichnen kann. Autor Christoph Schmetterer ist auch mehr Rechtswissenschaftler als Historiker, denn die meisten von ihnen würden sich selbst manche flapsige Formulierung nicht durchgehen lassen („Franz Joseph verhielt sich im Krimkrieg insgesamt ungeschickt und hatte auch einfach kein Glück“, klingt nicht nach einer historischen Argumentation).

Das Buch hat aber seine Nützlichkeit für alle jene, die vor den dicken Wälzern zurückscheuen, deren historische Grübeleien über Akten und Fakten ihnen zu weit gehen, denen aber die zahlreichen Bildbroschüren, die von den Tageszeitungen über Franz Joseph herausgegeben werden (und meist nur auf Sisi und die Schratt hinauslaufen), wiederum zu wenig sind. Da steht Schmetterer in der Mitte, wobei er die Chronologie zugunsten der thematischen Übersichtlichkeit verlässt – und das ist für den Leser praktisch, der sich etwa in Kurzfassung über „Familie und Erziehung“ (dreieinhalb Seiten) oder auch Franz Josephs Kunstverständnis informieren will, wobei der Autor dann auch das Anekdotische nicht scheut (Franz Joseph zu einem Maler, der eine Wiese in Blau gehalten hatte: „Dann hätten Sie nicht Maler werden sollen.“)

Privates, Innenpolitik, Außenpolitik, Militär und auch der Versuch, Franz Joseph als Persönlichkeit zu charakterisieren, findet man kurz und bündig, wobei auch Schmetterer in seiner Person wenig mehr findet als trockenes, phantasieloses Pflichtbewusstsein.

Historiker werden es auch nie lassen können, ihre Urteile abzugeben, und so fragt man sich, wie Schmetterer über eine elementare, immer wieder gedrehte und gewendete „Schuldfrage“ denkt – war Franz Joseph für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs persönlich verantwortlich, wollte er ihn oder ließ er sich von den Kriegstreibern hineindrängen?

Nun, die definitive Antwort liegt im Auge des Betrachters, ist Ergebnis der eigenen Interpretation. Schmetterer entwindet sich elegant – zweifellos war es Franz Joseph der über Krieg oder Frieden entschied, er war auch im hohen Alter keine willenlose Marionette, aber dass er nicht ahnen konnte, dass ein Weltkrieg mit Millionen Toten die Folge sein würde… das gesteht der Autor ihm zu.

Also: Der Überblick dessen, was man über Franz Joseph weiß, schnell nachzulesen, mit vielen Augenzeugenberichten belegt, so wird der alte Kaiser dem Leser nicht schwer und langweilig.

Renate Wagner

 

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