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Christine Casapicola: NÄCHSTES JAHR IM KÜSTENLAND

24.04.2015 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

BuchCover Casapicola, Nächstes Jahr im Küstenland jp

Christine Casapicola:
NÄCHSTES JAHR IM KÜSTENLAND
288 Seiten, reich bebildert. Verlag
Braitan, 2014

Es waren andere Zeiten, es war eine ganz andere Welt, „als Österreich noch am Meer lag“, seine eigene „Riviera“ hatte und das Küstenland der nördlichen Adria in tausend Farben funkelte. Heute haben Namen wie „Görz“ oder „Triest“ nicht mehr die Magie von einst, und man setzt sich eher auf die Spuren der Vergangenheit als der Gegenwart, wenn man auf der Suche nach Glanz ist.

So wie Christine Casapicola, die in Wien lebende Linzerin, die in Friaul eine neue Heimat gefunden hat. (Schon als Kind war sie immer der Gesundheit wegen nach Grado geschickt worden, und schon damals setzte ihre Neugierde für die Umgebung ein.) Ihre vielfältigen Forschungen und Begegnungen sind in „Nächstes Jahr im Küstenland“ zusammen gefasst, ein Reise-Erlebnisbuch der anderen Art, das Menschen einst und heute sucht und findet und viel zu erzählen hat, was normalerweise nicht im Reiseführer steht.

Alte Landkarten, in Sepia gedruckt, mit altmodischer Schrift (Monarchie-Ware, Lechner’s Generalkarten von 1900) begleiten das Buch, so dass sich der Leser immer genau orientieren kann, wo er ist. Denn im Gegensatz zu damals sind Begriffe wie Görz, Collio oder Brda nicht mehr Common Knowledge und werden nicht mehr selbstverständlich mit irgendetwas in Verbindung gebracht (Collio als Kirschenstadt zum Beispiel).

Da muss man sich von der Autorin schon bei der Hand nehmen lassen, und man tut es gern – abgesehen davon, dass sie alte Archive ebenso geplündert hat wie ihre Gesprächspartner und mit einer Unzahl alter Fotos und auch Ansichtskarten aufwartet, die zeigen, wie es einst dort ausgesehen hat, wohin man heute nicht mehr so selbstverständlich reist wie einst…

Sie hat – vermutlich von Hand zu Hand gereicht – Gesprächspartner gefunden, die viel zu erzählen haben: Die Buchhändlerin in Görz (wer kennt noch den Begriff der „Gefürsteten Grafschaft Görz und Gradisca“!), die die Autorin auf die Spuren des längst verblichenen Franz Xaver Zimmermann bringt, dem Schulprofessor, dessen Büchlein über die Stadt heute noch kostbar ist; die Fischer, die berichten, wie sensationell der Thunfischfang rund um Triest einst war – und man erinnert auch daran, dass der Bora so plötzlich in der Stadt einfallen kann, dass man Steigeisen und Seile brauchte, um auf dem gefrorenen Boden weiterzukommen…

Triest, da wurde auch Winckelmann ermordet, und Menschen am Isonzo haben viel Tragisches erlebt. In Grado geht es natürlich lang und breit um die Auchentallers, sie hat unendlich viel für den Tourismus getan, aber er, ein großer Künstler der Secession, hat deren Stil in die Medienwerbung für Grado als das elegante Seebad eingebracht – heute noch sind die Bilder von unwiderstehlichem Reiz, eines ziert den Umschlag des Buches.

Im Wiener Demel hat die Autorin dann jene Dame, die aus Kanada angereiste Nora de Karwin, getroffen, die lang und breit über ihre Tante Nora Gregor berichtet, in deren Jugend sich die „drei G“ (Görz, Grado, Graz) verbinden, bis sie ihr Schicksal in Wien und in der Emigration ereilte (was der auch hier zitierte Hans Kitzmüller kürzlich in einem eigenen Buch darlegte).

Es gibt noch viel zu erzählen von diesem Küstenland, Historisches und Alltag, Kommerzielles und Soziologisches, und viele spannende Figuren, die später große Karriere gemacht hat, tauchen noch auf (etwa der Architekt Max Fabiani) – so vieles kam aus diesem italienisch / slowenisch / deutschen Schmelztiegel (das angehängte Ortsnamensverzeichnis ist dreisprachig!), und solange der Kaiser noch in Wien residierte, ging man dorthin, um Karriere zu machen.

Christine Casapicola kehrt in diese Welt zurück – und tatsächlich macht sie Lust, sich selbst mit ihrem Buch in der Hand auf die Spuren des alten Österreich zu setzen.

Renate Wagner

 

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