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Christian Marek: ROM UND DER ORIENT

14.10.2023 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

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Christian Marek
ROM UND DER ORIENT
REICHE, GÖTTER, KÖNIGE
720 Seiten, Verlag C.H.Beck, 2023

Die Geschichte des Alten Rom ist die einer Entwicklung – vom republikanischen Stadtstaat im Zentrum Italiens bis zu einem Kaiserreich, das den gesamten Mittelmeerraum umfasste. Expansion war das zentrale Motiv römischen Denkens, sprich Machtstrebens, und das führte die Legionen des Weltreichs trotz vieler Rückschläge tief bis in den „Orient“ hinein. „Rom und der Orient“ ist also ein essentielles Kapitel seiner Geschichte.

Christian Marek, der seinem Buch den griffigen Untertitel „Reiche – Götter – Könige“ gegeben hat, legt mit dem voluminösen Band nun als Emeritus der Züricher Universität gewissermaßen das Kompendium lebenslanger Forschung vor. (Im Beck Verlag ist von ihm schon die  „Geschichte Kleinasiens in der Antike“ erschienen). Dabei blickt Christian Marek persönlich auf 40 Jahre Reisen und Forschungen (auch Feldforschung) in der Türkei, Syrien, Israel, Jordanien, Ägypten, Saudi-Arabien, Jemen, Georgien, Armenien, Aserbaidschan und dem Iran zurück. In diesem Zusammenhang leistet er sich auch einen feuilletonistischen Ich-Bericht als „Exkurs“: Im September 1986 ist er dem von Strabo beschriebenen Feldzug des Aelius Gallus gefolgt („5000Kilometer durch unbekanntes, karges, zum Teil wüstes Land“), als dieser versuchte, von Ägypten in Richtung Jemen auch Arabien für Rom zu erobern. Es gelang nicht – und auch für den Autor war es keine leichte Reise…

Marek beginnt seine Grundlagenforschung des Themas noch vor dem Erscheinen der Römer. Zuerst befasst er sich mit Sprachen, Völkern, Reichen, Göttern und Kulturen Vorderasiens, Ägyptens und Arabiens. Er erzählt aus der Fülle des Wissens breit ausufernd, so dass die Lektüre dem Leser leichter fiele, wäre der Text durch Zwischentitel gegliedert. Die Fotos im Text sind durchwegs interessant und aussagekräftig, kommen allerdings nicht wirklich scharf zur Geltung.

Die Römer selbst treten dann gewissermaßen erst auf Seite 95 auf, nachdem natürlich Alexander der Große seine zentrale Rolle in der Erschließung (und Akzeptanz) des Orients gespielt hat. Diese Welt, die von Ägypten bis zum Iran und in die Türkei reichte (um die heutigen Begriffe zu benützen), wobei die Römer dann auch nach Syrien, Palästina, Arabien und Mesopotamien griffen, präsentierte sich als politisch strukturiert, kulturell reich, vielfach traditionell und bürokratisch geprägt.

Das Interesse der Römer, die namhafte Feldherren wie Scipio, Sulla, Lucullus und Pompeius aussandten, war natürlich in erster Linie wirtschaftlicher Natur – und die römische Oberschicht wurde durch die Abgaben dieser reichen Länder und den ermöglichten Handel selbst unverschämt reich.

Wenn der Autor nun der Geschichte von den Anfängen an folgt, so sind im Lauf der Jahrhunderte natürlich riesige Veränderungen zu verzeichnen, von denen auch die 14 Landkarten Zeugnis ablegen, die in den Text eingestreut sind und die Wandlung der Reiche und Mächte bezeugen.

Rom hatte es nicht immer so leicht wie mit Ägypten, das Julius Caesar ins Reich einbrachte. Crassus starb bei einem Feldzug gegen die Parther (die Nachkommen jenes Perserreichs, das Alexander zerstört hatte), der von Caesar geplante Parther-Feldzug wurde durch seine Ermordung vereitelt. Erst die Flavier nahmen diese Kriege wieder auf, und noch bis zu den Sassaniden (Nachfolger der Parther) blieben sie den Römern als mächtige und letztlich unbesiegbare Gegner treu. Im Gegensatz zu den meisten anderen orientalischen Fürstentümern  und Königreichen, die ihren Vasallenstatus behielten und keine essentiellen Querelen verursachten. Echte Aufstände gab es nicht allzu häufig – es waren die Juden, die sich erst im Jüdischen Krieg und dann im Bar-Kochba-Aufstand gegen die Römer erhoben und unterlagen.

Der Autor hat spürbar viele Interessen, umkreist das Thema des „Orients“, wie er sich zur Römerzeit präsentierte, von allen Seiten, behandelt Wirtschaft und Finanzen, Verwaltung, Militär oder Spezialfragen wie den Sklavenhandel. Immer wieder treten Einzelpersönlichkeiten ins Zentrum, etwa im Kapitel über den „Orient in Rom“, Hier geht es um den Kurzzeit-Kaiser Elagabal, der orientalische Religion und Sitten einführen wollte. Der Autor nennt es einen „massiven Roll-back des Orients“, nachdem Augustus einst Cleopatra  und Antonius als dekadente Vertreter des Ostens vernichtet hatte – was allerdings auch Elagabal nach kurzer Zeit blühte.

Man spürt, dass Marek ein intimer Kenner von Städten wie Petra, Gerasa, Ephesos oder Palmyra ist, die er in ihren baulichen Details ausführlich schildert, ebenso wie er einen breiten Exkurs zur Mosaikkunst der Region unternimmt.

Vor allem aber wendet sich sein Buch der Religion zu – vor allem der christlichen, die mit der „Hinrichtung eines Sektenführers namens Jesus“ begann und nach und nach die ganze Welt, ob Orient, ob Okzident, veränderte. Da geht die Historie in die Religionsgeschichte über, bis zu Detailfragen wie den Streit um die Natur Christi. Dass sich das Christentum mit den zahlreichen, mächtigen, von den Römern gleichgültig geduldeten orientalischen Religionen auseinander setzen musste, versteht sich. Dass der Islam die einzige Bewegung war, die dem Christentum stand halten konnte, fällt dann nicht mehr in den Rahmen dieses Buches.

Im Anhang beeindruckt eine (wenn auch geradezu winzig gedruckte) synoptische vergleichende Zeittafel, die Rom, Anatolien, den arabischen Raum, Mesopotamien und Ägypten nebeneinander stellt. Hier ist genaues Studium wertvoll, sagt doch die Gleichzeitigkeit unendlich viel aus.

„Geschichte wird für die Gegenwart geschrieben“. sagt der Autor in der Einleitung, man kann es aber auch als Fazit des an Spezial- und Detail-Wissen überreichen Buches nehmen, zumal heute, wo der „Orient“ wieder zunehmend zum Problem für den Okzident wird…

Renate Wagner  

 

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