CHRIS LOHNERS ZEITGESCHICHTE IN BILDERN UND ANEKDOTEN
272 Seiten, edition a, 2022
Wenn man an die Urzeiten des Fernsehens denkt, als es noch „Fernsehsprecherinnen“ gab und diese sogar ziemlich populär waren, erinnert man sich an Chris Lohner, unverkennbar nicht zuletzt wegen ihrer Stirnfransenfrisur. Während die Kolleginnen der Vergessenheit anfielen, hat sie es geschafft, in den Medien immer präsent zu bleiben, Moderatorin, Schauspielerin, Alleinunterhalterin, regelmäßig auch als Buchautorin.
Wenn sie nun „Chris Lohners Zeitgeschichte in Bildern und Anekdoten“ vorlegt, findet man beim ersten Blick viele Prominente auf Fotos, manchmal mit Chris, meistens ohne, und der Verdacht liegt nahe, dass es da um „Name Dropping“ gehen könnte.
Vom Herausgeber als „Ikone der österreichischen Zeitgeschichte“ bezeichnet, was vielleicht ein kleines bisschen übertrieben ist, war Chris Lohner populär genug, um vielen Menschen begegnet zu sein, die das Interesse der Öffentlichkeit gefunden haben.
Aber wenn man sich durch die einzelnen Kapitel liest, alle in Doppelseiten gehalten, kurzer Text auf einer Seite, großes Bild auf der anderen, merkt man, dass die Autorin – kurz vor ihrem 80. Geburtstag, der aber erst nächsten Juli ansteht – unter dem Motto „Ich und die anderen“ viele persönliche Informationen preisgibt. Sicher nicht unabsichtlich, ein bisschen Autobiographie ist ja erlaubt.
Freilich ist das, was man liest, nicht unbedingt substanziell. Gewiss, sie ist dem Dalai Lama begegnet, und auf die naheliegende Frage, wie man Buddhist wird, antwortete er naheliegend, indem man niemandem schadet und niemanden tötet. Sonst ist bei vielen Leuten von vielen guten Gesprächen die Rede, deren Inhalte nicht überliefert werden.
Aber das Buch will ja „Anekdotisches“ bieten, und wenn sich der „breite“ Luciano Pavarotti als Paravent anbietet, damit die gertenschlanke Chris Lohner sich hinter ihm umziehen kann – vielleicht würde mancher Opernfan sie darum beneiden. Und mancher Theaterfreund dafür, dass Michael Heltau mit ihr spazierte, um ihren Hund Gassi zu führen. Als sie noch Model war, hat sie für Udo Proksch gearbeitet und ihn nur sympathisch erlebt. Und als sie in ihrer Schauspielerinnen-Zeit einen Vertrag bei Franz Antel unterschrieb, merkte sie erst später, dass es sich um einen Sexfilm handelte und sprang ganz schnell ab. Noch Schmankerln gefällig? Dass Alfons Haider, „Fonsi“ genannt, ihr gestand, seine Mutter sei die große Liebe seines Lebens. Oder dass sie Heinz Zuber bei einem Lied auf der Blockflöte begleitet hat?
Sie hat in ihren ORF-Jahren die großen „Alten“, die damals noch voll in Amt und Würden waren, erlebt – Gerd Bacher, Hans Dichand, Hugo Portisch, Heinz Fischer-Karwin. Niemand der zumal in Österreich Rang und Namen hat, fehlt (mit einem starken Überhang des männlichen Geschlechts), ob aus der Pop- oder Society-Szene, Schauspieler und Sportler, national und auch ein wenig international.
Vielleicht nehmen viele das Buch in erster Linie als „historischen“ Bildband, denn die Fotoagenturen und Fotografen mussten tief in ihre Archive greifen, um Herrschaften, die längst tot sind, in ihren besten Jahren zu zeigen, und andere, heute alt, in der Blüte ihrer Jahre hervor zu zaubern – die Erlebnisse der Chris Lohner mit ihnen liegen ja schon Jahre zurück.
Zweierlei bleibt ein Rätsel – erstens das Ordnungsprinzip der einzelnen Kapitel. Alphabetisch ist es nicht, und kunterbunter könnte es nicht sein. Und zweitens – warum ist das Buch durchgehend vor schwarzem Hintergrund gehalten? Düster war das Leben der Chris Lohner ja wirklich nicht. Im Gegenteil, so wie sie es schildert, hätte es farbiger nicht sein können. Auch wenn die Bilder nur schwarzweiß sind.
Renate Wagner