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CHEMNITZ: SWANHUNTER von Jonathan Dove

09.01.2012 | KRITIKEN, Oper

Deutsche Opern-Erstaufführung in Chemnitz: „Swanhunter“ von Jonathan Dove (Vorstellung: 8. 1. 2012)


Michael Heim als Lemminkainen mit Monica Brett-Crowther (links) in der Rolle der Louhi  und Guibee Yang als deren Tochter (Foto: Dieter Wuschanski)

 

 Anfang Dezember 2011 hatte im Opernhaus Chemnitz die Oper „Swanhunter“ von Jonathan Dove ihre Deutsche Erstaufführung. Der englische Komponist, 1959 in London geboren, studierte in Cambridge Komposition und begann nach dem Diplom eine Karriere als Liedbegleiter, Repetitor und Arrangeur. 1987 assistierte er bei einem Opernprojekt in Glyndebourne, wo er 1998 mit seiner Flughafenkomödie Flight, einem Auftragswerk der Glyndebourne Touring Opera, den internationalen Durchbruch schaffte. Inzwischen umfasst sein Werkkatalog mehr als 20 Opern, darunter seine 2007 in Leeds uraufgeführte Familienoper Pinocchios Abenteuer, die ein Jahr später in Chemnitz ihre Deutsche Erstaufführung erlebte und 2009 mit dem „British Composer Award“ für Bühnenwerke ausgezeichnet wurde.

 Die Oper „Swanhunter“, die Jonathan Dove für sechs Sänger und sechs Musiker komponierte, fußt auf einer Erzählung des finnischen „Kalevala“-Epos, dessen magische Geschichten „gesungen werden wollen“, wie der Librettist Alasdair Middleton betont. Der Inhalt: Lemminkainen lebt mit seiner Mutter im finnischen Wald, wo es aber keine Mädchen gibt. Also macht er sich auf den Weg nach Norden, wo sich angeblich tolle Frauen befinden. Ehe er seine Mutter verlässt, stößt er einen Dolch in die Tür und erklärt ihr, dass er erst tot sei, wenn es aus der Wunde der Tür bluten würde. Hoch im Norden kommt er zu einem Hof, wo er zunächst zwei Wachhunde in den Schlaf singt, bevor Louhi, die Herrin des Hofs, ihm vier Jungen auf den Hals hetzt. Mit seinen Zaubergesängen kann er drei besiegen, den vierten, der blind ist, verschont er. Er verlangt danach von Louhi, dass sie ihm ihre Tochter zur Frau gibt. Louhi knüpft an ihre Zusage drei Bedingungen: Zuerst müsse er den Elch des Teufels erjagen, dann das Pferd des Teufels reiten und schließlich den Schwan auf dem Fluss des Teufels schießen. Lemminkainen löst die ersten beiden Aufgaben, doch statt des Schwans wird er von dem Jungen erschossen, den er verschont hatte. Seine Leiche wird zerhackt und in den Todesfluss geworfen. Als im Süden die Mutter die Wunde an der Tür bluten sieht, ahnt sie Schlimmes. Sie macht sich auf den Weg und lässt sich in einer Schmiede eine Harke machen. Dann harkt sie die Leichenteile ihres Sohnes aus dem Todesfluss und näht diese zusammen. Das wunderbare Ende: Lemminkainen lebt wieder!

 Jürgen R. Weber, ein Schüler von Götz Friedrich, war für Regie, Ausstattung und Choreographie zuständig. Er inszenierte das Werk auf der Hinterbühne des Opernhauses (das Publikum saß auf der Drehbühne) als Science Fiction-Stück, wobei er auf einer großen Leinwand Videosequenzen (Gestaltung: Devon Elise Atkins und Sven Klaus) projizieren ließ, die zum Teil sehr kreativ waren, manchmal aber auch unappetitlich und verstörend wirkten. Nicht nur die Kinder im Publikum rümpften des Öfteren die Nase und schlossen die Augen. Da die Darsteller in ihren einfachen, handgefertigten, fetzigen Kostümen knapp vor der Haupt- und den Seitentribünen agierten und die Zuschauer immer wieder zum Mitspielen animierten, kann man von einem höchst lebendigen Opernabend sprechen, bei dem auch der Humor nicht zu kurz kam. Das gesamte Sängerensemble spielte seine Rollen mit großer Spielfreude, die jung und alt begeisterte.

 Der Vorarlberger Tenor Michael Heim überzeugte als Lemminkainen sowohl stimmlich wie schauspielerisch. Durch seine starke Bühnenpräsenz erreichte er eine optimale Wirkung. Seine Mutter wurde von der finnischen Sängerin Tiina Penttinen dargestellt, deren schillernder Mezzosopran die Angst um ihren Sohn ausdrucksstark umsetzte. Köstlich in ihrer Komik die Mezzosopranistin Monica Brett-Crowther in der Rolle der Louhi und die Sopranistin Guibee Yang als ihre Tochter. Die Südkoreanerin bewältigte in ihrer zweiten Rolle als Schwan mühelos auch die höchsten Töne. In mehreren Rollen bewiesen ihr komisches Talent der Tenor André Riemer – er spielte u. a. den 1. Hund und den vierten Jungen – und der Bariton Martin Gäbler, der den 2. Hund, den Tod und den Schmied darstellte. Zu nennen ist noch Felix Häckell, der mit seinen akrobatischen Einlagen nicht nur das junge Publikum ergötzte. Er zeichnete auch für die Pyroeffekte verantwortlich und spielte darüber hinaus einen finnischen Waldgeist.

 Die sechs Musiker der Robert-Schumann-Philharmonie, die auf einem Podest spielten, das des Öfteren knapp zur ersten Publikumsreihe gerollt wurde, verdienen es, namentlich genannt zu werden: Ovidiu Simbotin (Violine), Birgit Erbe (Akkordeon), Helke Scheibe (Harfe), Benedikt Euler (Horn), Frank Lange (Percussion) und Olaf Jossunek (Kontrabass). Die musikalische Leitung hatte Domonkos Héja inne, der erst kürzlich zum Generalmusikdirektor der Ungarischen Staatsoper in Budapest ernannt wurde. Es gelang dem Kammerorchester und seinem Dirigenten, die facettenreichen Klangfarben der Partitur des Komponisten, die den heroischen Wikinger-Hornruf Lemminkainens ebenso gut vermittelt wie die trappelnden Hufe bei der wilden Jagd und die düsteren Klänge des Todesflusses, prächtig zur Geltung zu bringen.

 Das von der Musik wie auch von den Sängerinnen und Sängern begeisterte Publikum, das sich auch immer wieder zum Mitspielen animieren ließ, belohnte am Schluss alle Akteure mit minutenlangem Applaus.

 Udo Pacolt, Wien – München

 

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