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CHEMNITZ: DIE SCHWEIGSAME FRAU

30.04.2012 | KRITIKEN, Oper

Chemnitz: Die schweigsame Frau – Premiere 28.4.2012

 Nach dem Tod von Haus- und Hoflibrettist Hugo von Hofmannsthal wollte Richard Strauss eigentlich keine Oper mehr schreiben, denn ohne Libretto kein Opus. Als Freunde ihn mit Stefan Zweig bekannt machten, er seine feinsinnige Sprache bemerkte und sein Einfühlungsvermögen in die Menschen spürte, fragte er ihn, ob er für ihn ein Libretto verfassen würde. Es wurde Stefan Zweigs erstes und einziges Werk auf diesem Sektor. Und Richard Strauss bereitete es größtes Vergnügen, mal eine komische Geschichte zu vertonen, was ihm Hugo von Hofmannsthal niemals angeboten hätte.

Er hat sich mit dieser Oper auf neuartiges Gebiet gewagt, und entsprechend ist auch die Komposition. Nur wenig vertraute Musikbögen kann man vernehmen, aber er vertont exakt die Szenen, die der Handlung zugrunde liegen. Bereits die Ouvertüre mit Aneinanderreihung der wichtigsten Themen gleicht einem Potpourri von rhythmischen Takten, u. a. hört man militärische Klänge, denn der alternde Sir Morosus war Soldat und sein Gehör wurde bei einer Explosion so stark beschädigt, dass er keine lauten Geräusche mehr verträgt. Er sehnt sich nach Ruhe, aber auch nach Zweisamkeit. Eine schweigsame Frau zu finden, ist jedoch nicht so einfach. Da hilft der Barbier aus, und so löst sich am Ende alles in Wohlgefallen auf.

In Chemnitz hat sich Regisseur Gerd Heinz streng an die Handlung gehalten, in die Rezitative ein bisschen Lokalkolorit eingeflochten und eine herzerfrischende Komödie inszeniert. Ihm zur Seite standen hervorragende Sänger, allen voran Franz Hawlata. Er ist ein idealer Sir Morosus, der in seiner Darstellung den Charakter des alten Griesgrams hinreißend komisch, aber auch liebenswert interpretiert, die schwierige Partie mit extremen Höhen, aber vor allem sehr tiefen Tönen mühelos bewältigt und somit von vornherein zum Erfolg der Aufführung beiträgt. Aber auch Bernhard Berchtold als sein Neffe Henry steht ihm in nichts nach. Seine lyrische Tenorstimme hat sich so gut entwickelt, dass  er die von Strauss gerade für Tenöre extrem hoch komponierten Klangfolgen souverän bewältigt. Mit vorzüglicher darstellerischer Qualität kann er zusätzlich punkten. Das Zusammenspiel mit seiner Partnerin Julia Bauer alias Aminta, Henry Morosus Frau, ist köstlich und von erfrischender Harmonie. Mit Andreas Kindschuh hatte man einen Barbier besetzt, der perfekt für diese Rolle war. Man braucht für die Partie einen guten Spiel-Bariton, und beides – Spiel und Stimme -beherrscht Kindschuh grandios. Sein schauspielerisches Talent ist unverkennbar und sein Bariton hat eine ausgezeichnete vokale Phalanx. Wirklich bewundernswert war die Spielleidenschaft aller Protagonisten einschließlich Chor, und zusammen mit den bunten, der Zeit angepassten wunderschönen Kostümen von Kersten Paulsen sowie einem Einheitsbühnenbild von Rudolf Rischer, was auf zwei Ebenen die Wohnung von Sir Morosus zeigt, eingerichtet ebenfalls mit Möbeln aus dem 18. Jhdt., hatte Gerd Heinz mit seiner Inszenierung alle Sinne berücksichtigt: Augen, Ohren, Emotionen und damit genau den Geschmack des Publikums getroffen. Dies ließ jedenfalls der starke Applaus vermuten, in den Sänger, aber auch Bühne und Regie einbezogen waren. Bleibt noch eins zu erwähnen: Wenn Morosus rückblickend auf die hinter ihm liegenden Ereignisse sich zur Ruhe begibt und singt „Wie schön ist doch die Musik – aber wie schön erst, wenn sie vorbei ist“, so traf das an diesem Abend nicht zu, denn Dirigent Frank Beermann hatte mit der Robert-Schumann-Philharmonie einen optimalen, klangschönen musikalischen Fluss aus dem Orchestergraben gezaubert, dem man noch länger hätte zuhören mögen.        

 Inge Lore Tautz                                                     

 

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