Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

CD VIVALDI „L‘ESTRO ARMONICO“ – Armoniosa in einer Bearbeitung für Cembalo, Orgel, Violine, fünfsaitiges Cello „piccolo“ und Cello; REDDRESS

Im Vivaldi Fieber

21.05.2019 | Allgemein, cd

CD VIVALDI „L‘ESTRO ARMONICO“ – Armoniosa in einer Bearbeitung für Cembalo, Orgel, Violine, fünfsaitiges Cello „piccolo“ und Cello; REDDRESS

 

Im Vivaldi Fieber

 

Dieser bekannte Zyklus von zwölf Konzerten für Violine und Streichorchester, in deutscher Übersetzung „Die harmonische Eingebung“, Op. 3 von Antonio Vivaldi hat in barocken Zeiten einen wahren Vivaldi-Begeisterungssturm ausgelöst. Daran ist auch die 1711 erstellte Druckfassung schuld, die für eine rasche Verbreitung sorgte. So wurden diese Konzerte auf einen Schlag europaweit bekannt. Es dauerte nicht lange und die ersten Bearbeitungen tauchten auf. Der berühmteste unter den neugierigen Stibitzern war wohl Johann Sebastian Bach, der zuerst einen “sehr” eigenen Klavierauszug erstellte. Aber damit nicht genug: Das Album stützt sich dezidiert auf die Vivaldi-Bearbeitungen Bachs für Tasteninstrumente und als Konzert für vier Cembali mit Orchester. Diese dienten als Vorlage für die Transkription der vorliegenden Einspielung. 

 

Das 2012 im Piemont (Asti) gegründete Ensemble Armoniosa um die Brüder Stefano und Francesco Cerrato befindet sich also in allerbester Gesellschaft. Der Cembalist des Ensembles, Michele Barchi, hat die Konzertsammlung (die einzelnen Stücke stammen aber wahrscheinlich aus verschiedenen Schaffensphasen Vivaldis) an die spezielle Besetzung des Ensembles adaptiert. Anstatt fein ziselierter Streichermusik hören wir nun ein handfesteres kammermusikalisches Ensemble bestehend aus Geige, fünfsaitigem Cello, Cello, Orgel und Cembalo. Im Vergleich zur Originalversion tönt das weitaus üppiger, griffiger, bodenständiger. Allerdings erleben wir einen anderen ungewohnten, diesmal orchestral differenzierten Sound, der wiederum neue Saiten der fantastischen Musik zum Schwingen bringt. 

 

Natürlich gehen Bearbeitungen mehrere Schritte weiter als die historisch informierte Aufführungspraxis. Im  Booklet wird die Behauptung aufgestellt, dass Armoniosa die Bearbeitungspraxis des 18. Jahrhunderts neu belebt, einer Praxis, die in dem Bemühen, eine Antwort zu finden, wie die Musik in ihrer Zeit geklungen haben mag, untergegangen war. Ich stimme überein, dass Originalklang, also auf modernen Instrumenten spielende Orchester und Instrumentalensembles sich schon längst einander in diversen Bogentechniken, Phrasierungsmuster, etc. assimiliert  haben. Die Ära der Bearbeitungen allerdings ist auch Ende des zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts nichts Neues. Mir fallen spontan die Bearbeitungen u.a barocker Stücke für Percussion durch Simone Rubino oder die CD Gypsy Baroque ein.

 

Das ändert nichts daran, dass die im Mai 2018 im königlichen Schloss von Govone aufgenommene Doppel-CD der temperamentvollen Italiener höchst empfehlenswert ist. Spielfreude, Dynamik, Drive, alles das kommt besonders in den flotten Sätzen bestens zum Ausdruck. Freunde barocker Lebensfreuden werde jubeln. Die Tonqualität genügt allerhöchsten audiophilen Ansprüchen. Wer einen Adagio Satz in der Originalbesetzung in puristischem Streicherlegato hören will, kann zusätzlich auf ein breit gestreutes Angebot an Tonträgern zurückgreifen. Ensembles wie I Musici, The English Concert, Europa Galante, Ensemble 415, L‘Arte dell‘Arco oder Accademia Bizantina bieten hier hervorragende Vergleichseinspielungen. 

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

Diese Seite drucken