
SWISS LOVE – DER LIEBE LEID UND LUST
Franziska Heinzen (Gesang)
Benjamin Mead (Klavier)
Label: Solo Musica
Zaubrisch fremde Klänge
Die Schweiz steht für viele Dinge, für Uhren und Schokolade, Banken und Käse, Berge und Wilhelm Tell. Die Liebe gehört eigentlich nicht primär dazu, aber dennoch kommt sie vor – auch in Liedern. Das beweist nun eine ebenso schöne wie originelle CD des bewährten Klassik-Duos Franziska Heinzen (Gesang) und Benjamin Mead (Klavier). Musikfreunde kennen die beiden längst, sie haben schon drei CDs heraus gebracht, alle mit dem Stempel des Ungewöhnlichen versehen.
Auch diesmal waren sie auf Entdeckungsreise, denn Musikfreunde, die der Schweiz nicht besonders verbunden sind, werden weder die unter dem Titel „Swiss Love“ gebotenen Komponisten noch die hinreißenden Schweizer Volkslieder kennen, die hier präsentiert werden. Das liegt an einer gewissen Isolation, die sich dieses viersprachige Gebirgsland im Zentrum Europas selbst auferlegt. Wobei der Großteil der Bevölkerung Deutsch spricht, und so gut wie alle Komponisten, die man hier hört, der deutschen Tonkunst verbunden waren. Und dennoch in einer Außenseiter-Stellung. Einer von ihnen, Wilhelm Baumgartner, hat es explizit formuliert, wie schwer es sei, „aus der Schweiz sich Bahn zu brechen und bekannt zu werden, das weiß nur, wer es selbst erfahren hat.“
Den Kunstliedern verschiedener Komponisten gilt der Hauptteil der 25 ausgewählten Werke, wobei alle gewissermaßen im deutschen Liedduktus verbleiben, aber doch jeweils eine eigene Handschrift zeigen.
Die Komponisten haben auch die klassischen Textvorlagen gewählt, Lothar Kempter (* 5. Februar 1844 in Lauingen ; † 14. Juli 1918 in Vitznau), von dem der titelgebende Zyklus „Der Liebe Leid und Lust“ stammt,, etwa Emanuel Geibel, Johann Carl Eschmann (* 12. April 1826 in Winterthur; † 27. Oktober 1882 in Zürich) u.a. Eichendorff, Wilhelm Baumgartner (* 15. November 1820 in Rorschach; † 17. März 1867 in Zürich) u.a. Heine. Da geben schon die Texte die Gefühlsinhalte – Liebe, Natur, Trauer – vor.
Interessant ist die Bekanntschaft mit einer Dame, mit Yvonne Röthlisberger (* 1889 † 1980), die aufhorchen lässt, auch mit Liedern, die sie zu Texten von Prinzessin Mathilde von Bayern (1877-1906) schrieb (sie war eine Tochter des letzten Bayernkönigs Ludwig III. und einer Habsburgerin, mit einem Fürsten aus dem Hause Coburg verheiratet, eine Hobby-Dichterin, die 28jährig in Davos in einem Lungensanatorium verstarb), Das Reiten, das in ihren Gedichten eine große Rolle spielt, setzte die Komponistin in entsprechend drängende Töne um.
Hat man die CD ganz gehört, wird man allerdings vielleicht urteilen, dass die „Volkslieder“ der schönste Teil des Angebots sind, stellenweise zaubrisch fremde Klänge, von dem so genannten „Guggisberger-Lied“ zu Beginn (bearbeitet von keinem Geringeren als Benjamin Britten) bis zu dem „Am Himmel stoht es Stemli“ von Artur Beul (* 9. Dezember 1915 in Einsiedeln; † 9. Januar 2010 in Küsnacht) am Ende, das mit geradezu unwiderstehlichen Jodeltönen („Jolidu“) entzückt.
Dazwischen noch „Schönster Abestäm“. „Du fragsch mi, wär i bi“ der Komponisten Heidi Stücki (1915-2012) und das berühmte Volkslied „Lueget, vo Berg und Tal“ von Ferdinand Huber (* 31. Oktober 1791 in St. Gallen; † 9. Januar 1863 ebenda), das besonders aufhorchen lässt, weil es a capella gesungen wird.
In dieser Liederwelt ist der Nicht-Schweizer mit Schweizerdeutsch (Schwyzerdütsch) konfrontiert, das für Fremde nicht zu verstehen ist – da greift man dann zur englischen Übersetzung im Booklet der CD, um zu erfahren, dass „I cha nid von der lah“ eigentlich „I cant let you go“ heißt…
Die beiden Künstler, die in diese Zauberwelt entführen, sind die Schweizerin Franziska Heinzen und der britisch-polnisch-deutsche Pianist Benjamin Mead, wie immer das perfekte Duo, sie mit ihrem wunderbar leichten, hellen, strahlenden, aber modulationsfähigen und vieler Nuancen fähigen Sopran, er mit Händen, die das Klavier zum Singen und Klingen bringen, so dass es sich mit der Stimme zu einer wunderbaren Einheit vermählt und dennoch seinen eigenen Part in dieser Musik beiträgt.
Wer gerne etwas Neues kennen lernen will, das zu kennen sich lohnt, ist hier bestens bedient.
Renate Wagner