CD RICHARD WAGNER: TRISTAN UND ISOLDE 2. Akt, MARTHA MÖDL, WOLFGANG WINDGASSEN, live Promenadenkonzert Royal Albert Hall London vom 26.8.1954; The Barbirolli Society – ERSTVERÖFFENTLICHUNG
„Ewig währ‘ uns die Nacht“
Für nicht wenige Wagner Freunde bietet der live Mitschnitt von Tristan und Isolde aus Bayreuth vom 23.7.1952 mit Herbert von Karajan und der damaligen Traumbesetzung Martha Mödl, Ramon Vinay, Ira Malaniuk, Ludwig Weber und Hans Hotter das Non plus Ultra an vor Leidenschaft glühenden Wagner-Gesangs und eines vor Hochspannung, vibrierenden, feinnervig sehnig muskulösen Dirigats der Sonderklasse. Nun hat die Barbirolli Society in den Archiven den 2. Akt eines Proms-Konzert Live-Mitschnitts vom August 1954 entdeckt und trotz der Unvollständigkeit des Bands (von der dritten Szene sind nur 8 Minuten erhalten) und der nur historischen Klangqualität veröffentlicht.
Beim Anhören ist ein Wagner-Dokument erster Güte zu entdecken. Martha Mödl und Wolfgang Windgassen, legendäre Größen der Bayreuther Festspiele nach dem Krieg, beide in stimmlicher Topform, überbieten einander an balsamischem Wohllaut, endlos gesponnenen Legatobögen im Liebesduett und einer Intensität des Ausdrucks, die nur mit einer totalen Rollenidentifikation erklärbar ist. Glaubwürdiger und lebensechter als hier wird man das Duett kaum erleben können. Für Gänsehaut ist jedenfalls gesorgt. Im Liebesduett werden unglaubliche Nuancen in der Gestaltung vernehmbar. Plötzliche Piani und wie Echos aufeinander abgestimmte Phrasen bestimmen den ruhigen Legatoteil des Liebesduetts. Dann aber gibt es einen gewaltigen Sog hin zum dunkel erotischen Kulminationspunkt der Oper: Die Wucht, mit der Martha Mödl „Ewig währ‘ uns die Nacht“ in den Kosmos schleudert oder sich mit Wolfgang Windgassen beim finalen „Ohne Nennen, ohne Trennen, mit Erkennen, neu Entbrennen, ewig endlos, einbewusst, heiß erglühter Brust höchste Liebeslust!“ in stimmliche Ekstase katapultiert, das alles ist gigantisch und schlicht ereignishaft ganz große Oper.
Altmeister Sir John Barbirolli dirigiert das ausgezeichnete Hallé Orchester mit grundsätzlich breiten Tempi, weiß aber an den entscheidenden Passagen im Duett Isolde-Brangäne oder am Ende der zweiten Szene das Tempo ordentlich anzuheizen. Mit von der Partie sind die ausgezeichnete Mezzosopranistin Constance Shacklock als Brangäne und George Hancock als Melot. Frederick Dalberg war damals König Marke, ist aber auf dem vorliegenden Fragment leider nicht mehr zu hören.
Wichtiger Hinweis: Die in künstlerischer Hinsicht spektakuläre Aufnahme ist wegen der Unvollständigkeit des Bands, aber auch wegen der eingeschränkten Tonqualität eher Sammlern und Kennern zu empfehlen.
Anmerkung: Vom Gespann Mödl – Windgassen gibt es auch eine Stereo-Studioaufnahme (Telefunken Decca) von Ausschnitten aus Tristan und Isolde aus dem Jahr 1955 mit dem Orchester der Städtischen Oper Berlin unter dem erdenschweren Dirigat von Arthur Rother und der nicht adäquaten Johanna Blatter als Brangäne.
Dr. Ingobert Waltenberger