Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

CD RICHARD WAGNER: SIEGFRIED; The Hallé, Sir Mark Elder; Hallé Recording Label

Das britische Ring-Projekt geht überlegen ins Ziel  

08.06.2019 | Allgemein, cd

CD RICHARD WAGNER: SIEGFRIED; The Hallé, Sir Mark Elder; Hallé Recording Label – Das britische Ring-Projekt geht überlegen ins Ziel

 

Sir Mark Elders Wagner Dirigate in der Bridgewater Hall  in Manchester erfreuen sich zu Recht großer internationaler Reputation. Nach konzertant mitgeschnittenen Aufführungen der Götterdämmerung 2009, der Walküre 2012, dem Rheingold 2016 erscheint als Abschluss des Rings nun Siegfried, aufgenommen live am 2. und 3. Juni 2018. Ähnlich Marek Janowskis Ring-Einspielungen haben wir es mit einem orchestral glänzenden Kapellmeister-Ring zu tun. Da macht auch Siegfried keine Ausnahme. Von der Temporegie geht es Sir Mark Elder breit an. Nach 4 Stunden 21 Minuten ist hier Schluss (Vergleich: Knappertsbusch brauchte für seinen 1958-er Bayreuther Siegfried 4 Stunden und 16 Minuten, Karajan ist genau nach 4 Stunden im Ziel).

 

Das Hallé Orchester spielt plastisch, seidig brillant in den silbrig flirrenden Streichern, kernig ohne zu knallen im Blech und edel im Holz. Sir Mark Elder vermag ähnlich wie Knappertsbusch die Spannung trotz langer, im Schlussduett endloser Bögen auf faszinierende Weise zu halten. Im Gegensatz zu Barenboim, wo manchmal absoluter Stillstand herrscht, um dann wieder in Temporage zu verfallen, schwankt hier die Interpretation nur zwischen wunderbar flüssigem Parlando und mächtig modellierten, organisch geatmeten Phrasen. Der filmmusikalische Fluss befindet sich stets in dramaturgisch gedachter Bewegung, der Klang ist transparent und aufgefächert. Auffallend sind die vielen liebevoll gestalteten Details, die Herausarbeitung unzähliger Finessen der Instrumentierung wird auch kammermusikalisch Fühlende zufriedenstellen. Nichts klingt pauschal breiig. 

 

Also alles paletti? Nein, Sie  haben es erraten. Die Besetzung birgt manch Licht, aber doch auch ebensolches Dunkel. 

 

Gerhard Siegel zählt gemeinsam  mit Wolfgang Ablinger-Sperrhacke zu den besten Mime Sängern weltweit. Ich würde hie noch weiter gehen und sagen, die beiden hätten auch in den goldenen Fünfzigern Jahren in der ersten Liga gespielt. Siegel liegt eine Charakterstudie der Sonderklasse hin, textdeutlich und mit kunstvoller Phrasierung die Figur voll bitterem Sarkasmus in den vorgezeichneten Tod führend.  Von Stimmvolumen und Durchschlagskraft her könnte er auch Siegfried sein. 

 

Simon O’Neill, Siegfried vom Dienst, der auch beim “Hong-Konger Ring” (Dirigent Jan van Zweden) in dieser Rolle mit von der Partie war, legt ungeachtet der trockener Mittellage und störender Vokalverfärbungen einen beachtlichen Start hin. Er hält aber nicht durch. Im Schlussduett klingt sein ohnedies nicht gerade strahlender Tenor über weite Strecken gepresst und die Höhen eng und mit letzter Kraft gestemmt. Auf der Habenseite muss man O’Neill genuines Theaterblut und glühendes Temperament zugestehen. Dennoch: Das große Gfrett im Heldentenor- und hochdramatischen Fach, hier wird es einmal mehr offenbar. 

 

Noch schlimmer ist es um die Brünnhilde von Rachel Nichols bestellt. Weit von allen Tugenden einer Hochdramatischen entfernt, flackert und schleift sich ihr Sopran in allen Lagen überwiegend unschön durch das Duett. Neben eigenartigen Portamenti hinauf und hinunter stört (mich) das kurze Vibrato über alle Maßen. Mit den langsamen Tempi kommt die Sängerin ganz gut zurecht. Ganz allgemein fehlt jedoch das Fundament einer ruhigen, modulationsfähigen und belastbaren Mittellage. Nein, Durchhaltevermögen und die Befähigung zu lyrischer Verinnerlichung alleine genügen nicht.

 

Iain Paterson gibt einen die schwindende Autorität des Wotan mit schon leicht brüchigem Heldenbariton verkörpernden, menschlich berührenden  Wanderer. Martin Winkler wiederum ist ein Alberich wie aus dem vokalen Bilderbuch. Den düsteren, nach der Weltherrschaft strebenden Nachtalben hab ich kaum je besser gehört. Mit einwandfrei klarer Diktion, wunderbar und fast schon aristokratisch-dunkel gefärbtem Bassbariton rundet sich ein Rollenporträt, das neben dem Mime des Gerhard Siegel von zeitloser Gültigkeit ist. Clive Bayley darf als Fafner eindrücklich sein letztes Gefecht antreten. Malin Christensson und Anna Larsson als Waldvogel und Erda zeigen, wie man Wagner mit individuell timbrierten Stimmen einfach gut und rollendeckend singen kann. 

 

Von der Aufnahmequalität her genügt dieser Siegfried hohen audiophilen Ansprüchen.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

Diese Seite drucken