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CD:  PENDERECKI: Klavierkonzert „RESURRECTION“, Ciaccona „In memoriam Giovanni Paolo II“; evidence

26.11.2025 | Allgemein, cd

CD:  PENDERECKI: Klavierkonzert „RESURRECTION“, Ciaccona „In memoriam Giovanni Paolo II“; evidence

Dem 20-jährigen Gedenken der Opfer der Terroranschläge vom 11. 9. 2001 gewidmet: Mūza Rubackytė live (11.9.2021) mit dem Litauischen Nationalen Sinfonieorchester unter der Leitung der Kanadierin Keri-Lynn Wilson

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2007 in einer überarbeiteten Version von Barry Douglas und dem Cincinnati Symphony Orchestra unter der musikalischen Stabführung des Komponisten selbst uraufgeführt, ist Pendereckis Klavierkonzert „Auferstehung“ eine jener Kompositionen, deren suggestiver Kraft und musikalischem Füllhorn man sich nicht entziehen kann. Für ein neues Finale mit heftigem Glockengeläut‘ entschied sich der polnische Komponist nach dem 11. September 2001, als dieser Terroranschlag in New York eine bis dahin nicht gekannte Fragilität in Sachen zivilisatorischen Selbstverständnisses der westlichen Welt, noch dazu in einer unvorstellbar brutalen Dimension, offenbarte.  

Die litauische Pianistin Mūza Rubackytė hat sich dieses komplexe, für das Klavier technisch immens anspruchsvolle Stück nach und nach erarbeitet, zuerst für ein Konzert in Puerto Rico unter der musikalischen Leitung von Maximiano Valdés. Das spirituell tief empfundene Klavierkonzert ist ein vor musikalischen Referenzen, Anklängen an Wagner, Prokofiev bis Shostakovich geradezu strotzender Hymnus an den Glauben, an die unveräußerliche Schönheit von Erde und Natur, an das menschliche Dasein in all seinen Unwägbarkeiten und die Macht des Gedankens der Auferstehung. Programmatische Parallelen im dramaturgischen Ablauf zu Gustav Mahlers Zweiter Symphonie sind ausdrücklich erlaubt.

Keinen Menschen interessiert heute mehr, wie Penderecki kompositorisch einzustufen ist. Ob er als sonderlicher Avantgardist, als Spätromantiker, als neoklassischer Tonsetzer oder aber als jemand, der seine musikalischen und politischen Erfahrungen zu einer völlig eigenen, humanistisch und christlich geprägten Klangwelt aufkochen ließ, gelten darf, ist in Anhörung dieses so mächtigen und wirkungsvollen Konzerts nebensächlich. Auf jeden Fall fühlt sich alles an diesem grandiosen Konzert hitzig, dringlich und voller widerstreitender Leidenschaften, im Endeffekt wie ein schroffer bis elegisch verklärter Mount Everest an Emotionen an.

Mūza Rubackytė charakterisiert die Musik nicht zuletzt aufgrund der ununterbrochenen rhythmischen Änderungen formal als konzertierende Symphonie in Rhapsodieform. „Das Klavier ist richtiggehend Teil des Orchesters, so ähnlich wie im zweiten Klavierkonzert von Johannes Brahms. Deshalb ist die Zusammenarbeit eine heikle Angelegenheit, weil sie eine ganz genaue Absprache mit dem Dirigenten erfordert, der es mit einer riesigen Anzahl von Instrumenten zu tun hat.“

Man kann das einsätzige, durchgängig gespielte Konzert auch als Capriccio zwischen in den äußersten Enden harscher Motorik und zart sternenfunkelnden Harmonien sehen. Den Ausführenden ist bei all diesen Kontrasten eine bewundernswert gelungene Balance zwischen orchestraler Verdichtung, Transparenz und pianistischer Detailarbeit erzählerischer Klangrede gelungen.

Das Litauische Nationale Sinfonieorchester spielt diesen ca. 40-minütigen Parforceritt ungemein klangschön, aufregend intensiv und trostreich kathartisch unter den subtil ordnenden Händen von Keri-Lynn Wilson.  

Mūza Rubackytė hätte sich für ihre maßstabsetzende, atemberaubende Interpretation in großer Klarheit und packendem Drive alle Preise verdient. Obwohl es sich bei gegenständlicher Aufnahme um die bereits vierte im Katalog handelt – was den singulären Rang von „Auferstehung“ unter den Klavierkonzerten des 21. Jahrhunderts belegt – darf die nunmehrige Einspielung auch aufgrund der klangtechnischen Brillanz als die vielleicht ausgereifteste und vollmundigste gelten, ohne die Vorzüge des Albums mit Florian Uhlig, dem Polish Radio Symphony Orchestra unter Lukasz Borowicz, schmälern zu wollen.

Als passende Ergänzung stellt Mūza Rubackytė als Weltersteinspielung die Ciaconna „In memoriam Giovanni Paolo II“, ein Arrangement des Agnus Dei aus Pendereckis „Polnischem Requiem“ (eigentlich für Streichorchester) für Klavier solo von Stanislaw Deja, vor.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

 

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