CD: Paul Hindemith: MATHIS DER MALER
Capriccio (Naxos Deutschland Musik & Video Vertrieb)
3 Discs
Spät, sehr spät, aber nicht zu spät – im Dezember 2012 erlebte „Mathis der Maler“, das Opern-Hauptwerk von Paul Hindemith, seine bemerkenswerte Premiere am Theater an der Wien. Nun, immerhin neun Jahre später, liegt die Aufführung als CD-Mitschnitt sowie als erste DVD / Blue Ray-Fassung dieser Oper am Markt vor.
Im Gegensatz zur Staatsoper des Dominique Meyer, wo jährlich an die 40 Aufführungen (darunter alle Neuproduktionen) per Stream oder TV zugänglich waren, haben sich sowohl das Theater an der Wien des Roland Geyer wie die Volksoper des Robert Meyer nicht wirklich um die digital / mediale Verwertung ihrer Produktionen gekümmert (schade und die Reue kommt zu spät). Das ist – wie die „Mathis“-Aufnahme zeigt – im Fall des Theaters an der Wien besonders bedauerlich. Denn es gibt schließlich eine erkleckliche Anzahl von Opernfreunden, die eine Rarität der 50. Tosca-Aufnahme vorziehen und sich die Kenntnis selten gespielter Werke gerne auf CD (bzw. optisch noch dazu auf DVD) holen.
Die Möglichkeit besteht nun für „Mathis“, dieses wirklich bemerkenswerte Hauptwerk von Hindemith, die einzige seiner zahlreichen Opern übrigens neben „Cardillac“ (sehr schön einst an der Staatsoper zu sehen), die ganz gelegentlich auf den Spielplänen auftaucht. Hindemith hat sich das Libretto über Matthias Grünewald selbst geschrieben, die Geschichte des Künstlers in politisch bewegten Zeiten, zwischen Reformation und Bauernkriegen.
Man weiß von dem biographischen Zusammenhang – das Verbot von „Mathis“ (die Nazis rochen sehr wohl die aktuellen politischen Implikationen) hat hn schließlich aus Deutschland vertrieben, und die Uraufführung fand 1938 in Zürich statt.
Wer sich nun nicht von der bemerkenswerten Inszenierung von Keith Warner (mit dem ingeniösen Bühnenbild von Johan Engels) „ablenken“ lassen will, der wird zur CD greifen, die in erstklassiger Tonqualität den Fokus ganz auf die Musik richtet.
Hindemith hat für den „Mathis“ orchestral eine klassisch grundierte Musiksprache gewählt, in die er Zitate aus dem 16. Jahrhundert einfügte, was ein faszinierendes Ganzes gibt und ihn von seinen Experimenten der Zwanziger Jahre in eine Art von neuem Klassizismus führte. Kein Wunder, dass die als „Essenz“ aus dem Werk gewonnene Sinfonie so populär geworden ist und verhältnismäßig viel gespielt wird. In der Oper kommen die Singstimmen dazu, die als „gemäßigte Moderne“ dann gelegentlich auch spröde wirken können.
Die wichtigsten Charaktere hatte das Theater an der Wien (das sich nicht immer die besten Sänger leisten kann) damals so hochwertig besetzt, wie es nur möglich war. Der so deutsche, kraftvolle Bariton von Wolfgang Koch ist Mathis, der Künstler, der eigentlich „nur“ seiner Berufung folgen und den Isenheimer Altar gestalten möchte. Doch in diesem Mann wollte Hindemith die Spannung zwischen Kunst, Politik und Religion aufzeigen – was auch gesungen werden will. Wolfgang Koch gestaltet das akustisch allein sehr überzeugend.
Immer ist Kurt Streit mit seiner „schneidenden“ Stimme in Charakterrollen ideal besetzt, hier als der Katholik schlechthin, Albrecht von Brandenburg, der Kardinal Erzbischof von Mainz, dem Franz Grundheber als der reiche Mainzer Bürger und überzeugte Protestant Riedinger gegenüber steht. Scharf auch in der Charakteristik kommt der Tenor Raymond Very als Bauernführer Hans Schwalb zur Geltung. Der Personenkreis des Werks ist weit gespannt, die szenische Aufführung kann da Übersicht bringen, sonst liest man besser das Libretto mit.
Es ist schließlich der Orchesterpart, der die Aufführung so besonders macht, denn damals ist es Bertrand de Billy am Pult der Wiener Symphoniker gelungen, das Werk jede Sekunde mit Leben zu erfüllen, wobei auch der Slowakische Philharmonische Chor, vielfach gefordert, zur Wirkung beitrug. Kurz, ob szenisch oder nur musikalisch, das ist eine Aufführung von „Mathis der Maler“, die dem Werk und dem Theater an der Wien des Roland Geyer Ehre macht.
Renate Wagner
PAUL HINDEMITH (1895-1963)
MATHIS DER MALER
Oper in sieben Bildern (1938)
Libretto: Paul Hindemith
Wiener Symphoniker
Slowakischer Philharmonischer Chor
Dirigent: Bertrand de Billy
MATHIS, Hofmaler des Erzbischofs: Wolfgang Koch
ALBRECHT VON BRANDENBURG,
Kardinal und Erzbischof von Mainz: Kurt Streit
LORENZ VON POMMERSFELDEN, Domdechant: Martin Snell
WOLFGANG CAPITO, Rat des Kardinals: Charles Reid
RIEDINGER, Ein reicher Mainzer Bürger: Franz Grundheber
URSULA, seine Tochter: Manuela Uhl
HANS SCHWALB, ein Bauernführer: Raymond Very
REGINA, seine Tochter: Katerina Tretyakova
SYLVESTER VON SCHAUMBURG, Offizier: Oliver Ringelhahn
TRUCHSESS VON WALDBURG, Heeresbefehlshaber: Ben Connor
GRÄFIN HELFENSTEIN: Magdalena Anna Hofmann
DER PFEIFER DES GRAFEN: Andrew Owens