Nazanin Aghakhani „Party“
Keine Frage, dass sich Frauen am Dirigentenpult durchgesetzt haben, und daher ist einem der Name Nazanin Aghakhani bekannt. Aber wollte man sie nur als Dirigentin begreifen, griffe man zu kurz. Sie kann – fast alles. Geboren in Wien als Mitglied einer persischen Familie (wo es auch russische Wurzeln gibt), wurde sie in Wien, Stockholm und Helsinki vielfach ausgebildet: als Konzertpianistin, hat auch Bratsche und Klarinette gespielt und Gesangsunterricht genommen, was ihr bei ihrer Tätigkeit als Dirigentin später sehr zugute kam. (Ein auch politisch zu fixierender Höhepunkt ihrer Karriere war es, in Teheran als erste Frau das Teheran Symphony Orchestra zu dirigieren.)
Darüber hinaus begann sie mit der Komposition von elektroakustischer Musik, und seither bewegt sich die Karriere der Vierzigjährigen sozusagen auf allen Ebenen, hat sie doch auch IUNCTUS gegründet, ein Orchester, das von Wiener Klassik bis zur Moderne gewissermaßen „alles“ abdecken kann.
Wie viele Künstler hat auch Nazanin Aghakhani die Zwangspause der Pandemie zu etwas ganz Besonderem genützt: „Ich will heute Party machen“, ist das Motto einer CD, die an nur einem Tag im Hotel Bristol eingespielt wurde. Folglich trägt das Album auch den Titel „Nana LIVE @ Hotel Bristol Vienna“. Die Single dazu heißt kurz „Party“.
Und nun begegnet man Nazanin Aghakhani als Performerin, sie hat die Songs geschrieben, komponiert und singt sie auch, auf Englisch und auch Deutsch. Das in dem Tonfall einer Frau aus Wien, zu Musik, die rhythmisch akzentuiert und quasi witzig kommentiert. Die erste Nummer vom Partymachen ist übrigens auch als Video auf YouTube (mit begeisterten Kommentaren der User).. Was auf diesen ungewöhnlichen Auftakt folgt, erweist sich als ein wahrlich bunter Mix von allem, was Nazanin Aghakhani so eingefallen ist und was sie mit dem Orchester IUNCTUS realisiert hat.
Auf Englisch „an imaginary poem“ von Beethoven, als er Iran besuchte… sehr imaginär. Dann ein wunderbar elegisches Musikstück, tonal und berührend, danach ein Chanson mit dem Titel „Deine Tageszeitung möchte ich sein“ (durchaus leicht absurd). Das nächste singt von einem ominösen Mann aus dem Café namens „Pjotr“ und wirkt in seinem harten Rhythmus wie ein nachempfundener Brecht-Song. Süß-altmodische Töne dann, leicht verfremdete Walzer-Klänge für „L’Affair Viennoise“, man meint, abgekupferte Passagen aus Wiener Liedern musikalisch kunstvoll verschlungen zu vernehmen, wobei sie immer mehr in die Atonalität abrutscht. Auf Englisch und im Stil eines sentimentalen Pop-Songs besingt Nazanin Aghakhani den „Ocean“.
Dann erzählt sie – offenbar weinend – die Geschichte von ihrem ehemaligen Mann und ihrem Unglück: Das nennt sich „Ich“. Und er, der Mann, war auf einmal weg („Ich bleibe nicht bei dir!“). Da wird es schon sehr privat und sehr dramatisch. Und dann der Hausfrauen- und Alleinerzieher- und Feministinnen- und Dirigentinnen- und Wienerinnen-Blues, wo sie sich in der Mentalität fast nach Kaisermühlen begibt, obwohl sie eine Wienerin aus Meidling ist, mit Migrationshintergrund, niemals integriert und sich auch diesbezüglich weigert – so endet das ganze Paket von so viel Unterschiedlichem dann doch heiter.
All das zusammen genommen, ist die persönliche Offenbarung einer Künstlerin, ein Crossover , das vermutlich eher Fans jenseits des klassischen Horizonts finden wird.
Renate Wagner