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CD „NAPOLI INEDITA“ – XAVIER SABATA und ALICIA AMO mit Arien und Duetten von A. Scarlatti, Sarri, Vinci und Vignola; apartemusic

18.11.2025 | Allgemein, cd

CD „NAPOLI INEDITA“ – XAVIER SABATA und ALICIA AMO mit Arien und Duetten von A. Scarlatti, Sarri, Vinci und Vignola; apartemusic

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Ein weiteres Album mit diesmal zehn Premieren von bislang verschwundenen barocken Arien und Duetten aus dem sangesfreudigen Neapel des 18. Jahrhunderts wartet auf Kundschaft Der katalanische Countertenor Xavier Sabata, künstlerisch gereift und stimmlich konsolidiert, trägt dieses Album gemeinsam mit der Sopranistin Alicia Amo. Mit seinem kerniger gewordenen, zur daunenflauschigen Mittellage auf gutsitzende tiefe und hohe Register bauenden Tenor haben auch die Expressivität und emotionale Breite zugelegt. Seine Partnerin überzeugt mich mehr in den lyrischen als den virtuoser angelegten Nummern.

Musiktheoretisch beruft sich das Programm unter Hinweis auf die jahrhundertelange Herrschaft der spanischen Habsburger, somit auf die Ära der spanischen Vizekönige von Neapel bis 1713, ab da an der österreichischen Habsburger bis 1734, auf die künstlerische Exzellenz Neapels besonders auf dem Gebiet der Vokalmusik. Obwohl die Blütezeit der neapolitanischen Musiklandschaft schon zu einem beachtlichen Grad erkundet ist, schlummern noch immer seither nicht mehr aufgeführte Opern samt deren Arien und Ensembleszenen in den Archiven dieser Welt.

Aus den auf charity bauenden musikpädagogisch-sozialen Institutionen wie Santa Maria di Loreto, Pietà die Turchini, I Poveri di Gesù Cristo oder San Onofrio a Capuana gingen die größten Komponisten, Musiker und Interpreten einer quicklebendigen Opern- und geistlich schaffensfrohen Musiklandschaft hervor. Eine professionalisierte Nachfolgeinstitution, das Conservatorio di San Pietro a Majella, beherbergt nun der Stadt größte Musiksammlung. Alle Manuskripte von Alessandro Scarlatti, Domenico Sarri, Giuseppe Vignola und Leonardo Vinci, zeitlich gesehen aus dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts, auf denen das vorliegende Raritäten-Album basiert, stammen aus diesem Archiv. Konkret aus den Opern „Artemisia“, „Siroe, re di Persia“ (Sarri), „Tull’Ostillo“ (Vignola), „Silla Dittatore“ (Vinci) oder „L’Amor volubile e tiranno“, „Il Cambise“ (A. Scarlatti) sind die hier vorgestellten Weltersteinspielungen entnommen.

Von den barocktypischen Affekten her gibt es nichts Neues zu berichten, drehen sich doch die Leiden und Freuden der Figuren um die üblichen Verdächtigen. Wir hören mehr oder weniger lautmalerisch unterlegte Seelenstürme agitato, Wut, Verzagtheit, Widerstreitendes zwischen Hoffnung und Martyrium, schmachtende Seufzer und Schmerzensklagen, die Freuden triumphierender Liebe sowie frei schwingende Gefühle angesichts einer milden Natur.

Der weltweite Erfolg der Renaissance der italienischen Barockmusik, etwa der unfasslichen Koloraturgirlanden, allgemeiner der Verzierungskunst von Antonio Vivaldi & Co. ist auch auf solch superbe, charismatische, mitreißende und noch dazu technisch souveräne Stimmen wie derjenigen von Cecilia Bartoli zu verdanken, deren DECCA Vivaldi Album aus dem Jahr 1999 sich millionenfach verkaufte.

Diese Zeiten sind vorbei und damit auch die Selbstverständlichkeit in der Akzeptanz barocker Programmalben. Denn nur die allerersten, luxuriös timbrierten bzw. äußerst charaktervollen Stimmen faszinieren und besitzen jene Strahlkraft, die auch auf Nicht-Klassik-Spezialisierte wirkt. Alle Nachkommenden müssen sich Vergleiche mit solchen nun schon legendären Goldkehlchen in ihrer prime time gefallen lassen.

Nun mangelt es dem Album „Napoli Inedita“ nicht an solch zwingenden vokalen Qualitäten. Dennoch: Was die am Schlagzeug und der Geige ausgebildete Sopranistin Alicia Amo mit einem ziemlich ausgeprägten Vibrato anlangt, so sind sicher ausreichend Temperament, Höhe und Agilität vorhanden. Ein unverkennbares Timbre samt geboten ruhiger Stimmführung als letztes i-Tüpfelchen gehen aber ab. Zudem fällt das Ensemble Tiento Nuovo primär mit einer transparent, instrumental feingliedrigen Lesart auf. Die emotional allzu zurückhaltende, teils flache musikalische Leitung des spanischen Cembalisten Ignacio Prego überwältigt jedoch nicht, sie multipliziert nicht die Wirkung der Vokalartisten. Die melodische Qualität der neu vorgestellten Stücke überzeugt und ungetrübte Freude will sich beim Rezensenten nur bei den von Xavier Sabata solo mit viel Einfühlungsvermögen und ebenso multiplen Stimmfarben gesungenen Arien einstellen.    

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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