CD: MARC’ANTONIO ZANI: LA MORTE VINTA SUL CALVARIO • Les Traversées Baroques, Étienne Meyer
Wiener Karfreitagsmusik
Marc’Antonio Ziani wurde um 1653 in Venedig geboren. Über seine Jugend ist nichts überliefert, es scheint aber als sehr wahrscheinlich, dass er von seinem Onkel Pier Antonio Ziani, Komponist und nach Reisen durch ganz Europa als Organist von 1669 bis 1677 als Nachfolger von Francesco Cavalli erster Organist am Markusdom in Venedig, unterrichtet wurde. Ziani feierte in Venedig rasch Erfolge und war von 1686 bis 1691 Kapellmeister am Hof zu Mantua. 1700 wurde Ziani als Hofkapellmeister nach Wien berufen: das Hauptgewicht seines Schaffens verlagert sich von den Opern auf geistliche Werke. 1713 zum Kapellmeister ernannt, wurde er von Josef Fux als Vize-Komponist und Francesco Bartolomeo Conti als Hofkomponist unterstützt. Am 12. Januar 1715 starb Ziani in Wien.
Zianis «La Morte vinta sul Calvario» («Der Tod wurde auf Kalvarienberg überwunden») gehört zur typisch wienerischen Gattung des «Sepolcro», den für den Wiener Hof typischen Karfreitagsmusiken. Von den Jesuiten als hervorragendes Instrument zur Propagierung der Gegenreformation entwickelt, konzentriert es sich – im Gegensatz zu «klassischen» Oratorien – auf die Passion und die Kreuzigung Christi, gehört als fester Bestandteil zur Karfreitagsliturgie, und wird immer auf italienisch gesungen. Basis dieser Karfreitagsmusiken ist das rhetorische Prinzip der Disputation. Verschiedene allegorische Figuren wie »Der Glaube«, »Die menschliche Natur«, »Die Seele Adams« treten in «La Morte vinta sul Calvario» in einen rhetorischen Streit mit dem Teufel, der sich über den Tod Christi freut.
Les Traversées Baroques unter musikalischer Leitung von Étienne Meyer setzt Zanis ausserordentlich farbig und kontrastreich ausgestaltete Partitur. Yannis François gibt den Il Demonio mit spritzig geführtem, leicht herbem Bass-Bariton. Vincent Bouchot singt La Natura Umana mit einem Haute Contre wie er im Buche steht. Der argentinische Countertenor Maximiliano Baños nimmt als La Morte mit seinem wunderbar warmen Alt sofort für sich ein. Dagmar Šašková gibt La Fede mit einem klaren, aber zu Schärfen neigenden Sopran. Capucine Kellers Sopran (L’Anima d’Adamo) beeindruckt mit absoluter Höhensicherheit
Eine lohnende Entdeckung!
11.04.2023, Jan Krobot/Zürich