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CD LUDWIG van BEETHOVEN VARIATIONEN  – SÉLIM MAZARI; Mirare

05.02.2020 | Allgemein, cd

CD LUDWIG van BEETHOVEN VARIATIONEN  – SÉLIM MAZARI; Mirare

Der junge französische Pianist Sélim Mazari, Schüler von Brigitte Engerer (Paris) und des armenisch-libanesischen Professors Avedis Kouyoumdjian (Wien) nimmt sich auf seinem Debüt-Album neben den unter dem Namen „Eroica-Variationen“ bekannt gewordenen 15 Variationen und Fuge Op. 35 über ein Thema aus dem Ballett „Die Geschöpfe des Prometheus“ vor allem weniger bekannten Variationszyklen Beethovens an.

Sélim Mazari gelingt es vortrefflich, mit klar-sachlichem Ton diesen in den Raum gestellten ungemein beweglichen, ewig in Wandlung befindlichen Klangskulpturen ihre flüchtigen Konturen zu verleihen. Beethoven liebte es, mit banalen Thema zu experimentieren, sie mit aller Fantasie und kompositorischer Meisterschaft ab- und zu verwandeln, zu zerlegen, zentrifugal zu schleudern, zu spiegeln oder sie wie ein Taschentrickspieler irgendwann wieder aus dem Ärmel zu zaubern. In frühen Stücken könnte der Hörer den Eindruck gewinnen, dass in diesem musikalischen Panoptikum auch Übermut über die eigenen virtuosen pianistischen Fähigkeiten und eine unbändige naturereignishafte Fabulierfreude mitschwingen. Sportlich salopp ausgedrückt, ein Freestyle Snowboarder zelebriert hier im Pulverschnee zum Entzücken des Publikums seine verblüffenden Backside-Drehungen, Stiffy-, Leanair- oder Stalefish Paraden.

Gerade dieses improvisatorisch-spielerische, ja luftige Element ist es, das die Interpretation des Sélim Mazari auszeichnet. Die gut gewürzte Mischung aus Erhabenem und Profanem, die elementare Durchdringung der Welt mit der tänzelnden Imaginationsfähigkeit eines Demiurgen, eines Werkmeisters in seinem Drillich, der das kompositorische Getriebe geschickt schmiert, und am Ende immer punktgenau landet, entspricht genau den vielfältigen Dimensionen der Musik.

Und so hören und staunen wir bei den Zwölf Variationen über den russischen Tanz aus Paul Wranitzkys Ballett „Das Waldmädchen“ für Klavier in A-Dur, WoO 71, aus dem Jahr 1796 über ihren unverwechselbar manisch-lyrischen Charakter mit schnell getrockneter Träne als camouflierte Hommage an die Gräfin Anna Margarete von Browne Camus, der Ehefrau eines im Dienste des russischen Zaren stehenden Gönners des Komponisten.

Die Zweiunddreißig Variationen über ein eigenes Thema für Klavier in c-Moll, WoO 80 entstanden 1806 zwischen der Sonate in f-Moll „Appassionata“ und der Fünften Symphonie als trotz aller Effekte und manch blumigen Einfalls ein nüchtern reduzierteres Angebot im Beethovenschen Launen-Bauchladen. Immerhin erzeugten sie viel später einen Widerhall im Finale der vierten Symphonie von Johannes Brahms.

Den Abschuss des Albums bilden die Sechs Variationen über ein eigenes Thema für Klavier in F-Dur, Op. 34 (1802). Hier ist jede neue Variation über das Thema in F-Dur um eine Terz tiefer gesetzt, bevor der Zyklus in der ursprünglichen Tonart endet.

Eine CD mit Hirn, kreativem Nachschöpfungsvermögen und technisch vollendetem Spiel in Szene gesetzt.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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