CD „Les Six“
Auric, Durey, Honegger, Milhaud, Poulenc & Tailleferre
Interpreten:
Franziska Heinzen, Sopran
Benjamin Mead, Klavier
Label: Solo Musica / München
Zwei junge Künstler, die mittlerweile schon einige Beachtung in der Musikwelt gefunden haben, stellen ihr Debut-Album vor – und ihren besonderen Interessen entsprechend, wählen sie das Ungewöhnliche. Dabei hat die Schweizer Sopranistin Franziska Heinzen ebenso eine künstlerisch „umfassende“ Karriere hinter sich (mit Opernerfahrung und einer Spannbreite von Barock bis ins 21. Jahrhundert), wie der Pianist Benjamin Mead, mit britisch-polnisch-deutschen musikalischen Wurzeln, auf breitester Ebene ausgebildet und auch schon im internationalen Konzertgeschehen unterwegs.
Aber seit sie einander 2015 an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf begegnet sind, bilden sie ein künstlerisches Duo besonderen Zuschnitts. In einem Interview, das auf YouTube abzurufen ist, definieren sie ihre Zusammenarbeit, „wo jeder auf den anderen hört“, fast wie eine (künstlerische) Ehe – und die Harmonie ihres Musizierens offenbart sich auch auf ihrem Debüt-Album.
Dieses haben sie der französischen Komponistengruppe „Les Six“ gewidmet. Dafür gibt es auch per Datum einen Anlass – vor hundert Jahren, 1920, haben die „Sechs“ selbst schon eine Platte mit ihren Werken aufgenommen. So scheint heute der geeignete Zeitpunkt, einen „historischen“ Sachverhalt nach seiner Lebendigkeit zu befragen.
Le Six – das waren fünf Herren und eine Dame, gewissermaßen (mit einigen Schwankungen) Altersgenossen. Reiht man sie alphabetisch, so handelt es sich um Georges Auric (1899-1983), Louis Durey (1888-1979), Arthur Honegger (1892-1955), Darius Milhaud (1892-1974), Francis Poulenc (1899-1963) und, die einzige Dame, Germaine Tailleferre (1892-1983). Als ihr Mentor galt der eine Generation ältere Komponist Eric Satie (1855-1925), der folglich als Siebenter in das Programm der CD aufgenommen wurde, und auch der Allround-Künstler Jean Cocteau war diesem Kreis nahe. Wagner einerseits und die Spätromantik lehnten sie ebenso ab wie den Impressionismus in der Musik – die Leichtigkeit vieler ihrer Werke war auch von Tanz- und damals neuer Unterhaltungsmusik inspiriert.
Die „Dramaturgie“ der CD-Aufnahme besteht nun darin, dass jeweils ein Klavierstück die Blöcke der einzelnen Künstler einleitet und darauf die Lieder folgen. Tatsache ist, dass zwar Honegger, Milhaud und Poulenc zu breiterer Popularität gelangt sind, die anderen drei weniger. Darum ist es vom Standpunkt der Musikwissenschaft zu begrüßen, dass Heizen / Mead die Kenntnis dieser Künstler noch um Erstaufnahmen von Liederzyklen von Auric (1940) und Durey (1920) erweitern.
Französische Musik ist anders, sie ist besonders, sie ist unverkennbar, und diese sieben Komponisten machen es klar. Wobei, der ehrliche Hörer, der hier nur Interessent und nicht Fachmann ist, zugeben wird, dass man sich mit der Unterscheidung schwer tut. Auf Anhieb könnte man nicht sagen, wer was komponiert hat. Man hört nur, dass es sich um „leichte“, variationsreiche, aber nicht unbedingt auf Gefälligkeit zielende Musik handelt, zwischen spritziger Heiterkeit und melancholischen Tönen mit allen nur denkbaren Klangfarben ausgestattet.
Dabei wird die Diversität des Ausdrucks nicht nur von der Sopranistin verlangt, auch der Pianist kommt nicht zu kurz, darf virtuoses Können zeigen, wenn er nicht nur geradezu atemberaubend die Töne perlen lässt, sondern bei Poulenc einmal auch das Kunststück abverlangt bekommt, als sei er auf den Tasten ausgerutscht… Die Sängerin geht mit hohem, leichten Sopran auch den aparten Dissonanzen dieser Musik nach und wechselt gewandt immer wieder Ausdruck und Stimmung.
Es ist schön, dass das (natürlich an sich hoch geschätzte) Repertoire des ewig Gleichen (oder Ähnlichen) hier einmal so entschlossen durchbrochen wird. Das ist keine Musik, die man im Hintergrund plätschern lassen soll, die will verständnisinnig und oft mit einem Lächeln gehört werden.
Renate Wagner