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CD: Le Villi Münchner Rundfunkorchester Ivan Repušić, musikalische Leitung BR-Klassik, 900359

03.04.2025 | Allgemein, cd

Zwischen Liebe und Vergeltung – Puccinis „Le Villi“ unter Ivan Repušić

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Es beginnt wie ein Versprechen: ein Fest, eine Liebe, eine Zukunft. Doch bald schon färbt sich das Glück düster, und was als romantische Geschichte beginnt, schlägt in einen erbarmungslosen Rachedrama um. Giacomo Puccinis selten gespielte Oper „Le Villi“ erzählt eine Geschichte von Liebe, Treue und dem übernatürlichen Zorn betrogener Seelen. Mit Ivan Repušić am Pult des Münchner Rundfunkorchesters, dem Chor des Bayerischen Rundfunks und einem hochkarätigen Solistentrio entfaltet sich diese schaurig-schöne Partitur mit dramatischer Wucht und berührender Zartheit.

Puccinis frühe Oper, 1884 uraufgeführt, basiert auf der Legende der Wilis – Geister verlassener Bräute, die ihre Treulosigkeit nicht verzeihen und zur rächenden Macht des Übernatürlichen werden. Der junge Roberto verlässt seine geliebte Anna, um in fernen Städten sein Glück zu suchen. Doch er verfällt Versuchungen, kehrt nicht zurück – und Anna stirbt an gebrochenem Herzen. Als Roberto reumütig wiederkommt, ist es zu spät: Die Wilis holen ihn in ihren tödlichen Tanz.

In dieser Aufnahme führt Repušić das Münchner Rundfunkorchester mit zupackender Dramatik und schwebender Lyrik. Die orchestralen Farben leuchten in ihrer ganzen Pracht: von den süßen, schimmernden Streicherlinien in Annas zärtlichen Passagen bis zu den düsteren, fast bedrohlichen Klängen, wenn sich die Wilis erheben. Besonders beeindruckend ist das fein abgestimmte Spiel der Dynamik – die leisen Momente haben eine beinahe kammermusikalische Intimität, während die großen Ausbrüche voller orchestraler Glut lodern. Der Chor des Bayerischen Rundfunks verstärkt diesen Effekt mit betörender Klangfülle: mal sanft schwebend, mal mit unheimlicher Wucht, wenn die Wilis ihre Rache vollstrecken.

Doch es sind vor allem die drei Solisten, die dieser Aufnahme ihre Seele verleihen. Anita Hartig verkörpert Anna mit schmerzvoller Intensität. Ihre Sopranstimme schimmert in den glücklichen Momenten des ersten Akts mit jugendlicher Frische und verwandelt sich nach ihrem Verrat in ein ätherisches, fast körperloses Klangbild – ein Echo einer Liebe, die nicht sterben kann. Besonders in ihrer Arie „Se come voi piccina“ entfaltet sie eine herzzerreißende Zerbrechlichkeit, die tief unter die Haut geht.

Kang Wang als Roberto ist die ideale Besetzung für den zwiespältigen Liebhaber: Sein Tenor besitzt jene leuchtende italienische Strahlkraft, die die Sehnsucht seiner Figur glaubhaft macht, aber auch eine innere Zerrissenheit transportiert. Seine große Arie „Torna ai felici dì“ wird hier zum emotionalen Höhepunkt: Ein verzweifelter Ruf nach Vergebung, voller bebender Intensität und doch getragen von einer fast belcantesken Linie.

Boris Pinkhasovich als Annas Vater Guglielmo bringt mit seinem kraftvollen Bariton ein warmes Fundament in die Klangdramaturgie. Seine Stimme vermittelt väterliche Zärtlichkeit, aber auch eine unbändige Wut, als er den Fluch der Wilis beschwört. In seinem klagenden Monolog zu Annas Tod scheint die Zeit für einen Moment stillzustehen – so tief geht seine klangliche Erschütterung.

Die Tonqualität dieser Aufnahme fängt die dramatische Intensität der Aufführung exzellent ein. Der Klang ist dynamisch und präsent, mit einer wunderbaren Balance zwischen Orchester, Chor und Solisten. Man fühlt sich mitten ins Geschehen versetzt, als wäre man im Theater, umgeben von der drängenden Emotionalität dieser Musik.

Diese Aufnahme von „Le Villi“ ist ein Geschenk für alle Puccini-Liebhaber und solche, die es werden wollen. Ivan Repušić entfaltet mit dem Münchner Rundfunkorchester eine leidenschaftliche, klanglich fein ausbalancierte Interpretation, während Hartig, Wang und Pinkhasovich ihre Partien mit Leben füllen. Eine dramatische, herzergreifende Aufführung, die zeigt, dass Puccinis erstes Bühnenwerk weit mehr als eine Rarität ist – es ist ein musikalisches Juwel.

Dirk Schauß, im März 2025

Giacomo Puccini

Le Villi

Münchner Rundfunkorchester

Ivan Repušić, musikalische Leitung

BR-Klassik, 900359

 

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