CD
KOMPONISTINNEN
Franziska Heinzen, Sopran / Benjamin Mead, Klavier
Solo Musica, München
Ehrlich – was weiß man schon von Komponistinnen? Eine Welle weiblichen Bewusstseins hat in Österreich ein paar Zeitgenossinnen in den Vordergrund gerückt, die sich auf dem Gebiet der Musikdramatik bewegen, Johanna Doderer etwa oder Olga Neuwirth. Aber sie stehen in der zweiten Reihe, ebenso wie ihre historischen Kolleginnen.
Und wie viele davon dürfte man als durchschnittlich gebildeter Musikfreund schon kennen? Die Gattinnen oder Schwestern von Komponisten, die eben „auch“ ein bisschen – dilettiert haben (wie die Mitwelt und vielfach auch noch die Nachwelt urteilt). Fanny Mendelssohn-Hensel (1805-1847), Clara Schumann (1819-1896), Alma Mahler (1879-1964). Die Namen erinnern an Bruder oder Gatten. Und gar die anderen?
Die Schweizer Sopranistin Franziska Heinzen und der britisch-polnisch-deutschen Pianist Benjamin Mead haben sich zu einem „Lied-Duo“ zusammen gefunden und heuer bereits ihre erste CD heraus gebracht. Diese widmete sich unter dem Titel „Les Six“ wahren Raritäten (die Komponistin Germaine Tailleferre, die sie damals auch präsentiert haben, kommt auch auf der zweiten CD vor), und genau so halten sie es mit ihrer zweiten Veröffentlichung. Wenn sie auf diesem Weg weiter gehen, kann man noch viel musikhistorisch Interessantes von ihnen erwarten.
Wie Franziska Heinzen in einem Interview erzählte, haben sie und Benjamin Mead sich 2019, anlässlich von Clara Schumanns 200. Geburtstag mit ihren Kompositionen beschäftigt. Das brachte sie auf die Spur von Liedern, die von Frauen geschrieben wurden. Und man kann sich die enorme Arbeit vorstellen, die dahinter stecken musste, damit im Endeffekt 24 Lieder von 24 Komponistinnen erklingen, die meisten im 19. Jahrhundert zuhause, aber einige von ihnen durchaus noch am Leben. Sie kamen aus England und den USA, aus Deutschland und Frankreich, Österreich und der Schweiz, Belgien, den Niederlanden, aus dem Elsass oder Südtirol.
Die Vielfalt ist bestrickend. Franziska Heinzen bewegt sich im Deutschen, Englischen, Französischen gleich souverän und fordert ihrem flexiblen Sopran von Lied zu Lied Widersprüchlichstes ab. Tatsächlich – wenn es auch nur kurze Stücke sind, besticht der Reichtum an Ausdrucksformen und Stimmungen. Der Pianist Benjamin Mead tritt in den Hintergrund, wo verlangt, aber ist auch sehr präsent, wo das Klavier seinen Anteil an Stimmungsmalerei und der „Erzählung“ der Stücke hat, die von elegisch bis tief tragisch oder auch spielerisch-frech reichen – oder bis zu der seltsamen Art von Sprechgesang, mit der Alma Mahler in dem gewählten Stück die konventionelle Liedform unterläuft.
Die Abfolge der Auswahl ist nicht ganz klar, aber eine „Logik“ könnte es bei so viel Verschiedenheit ohnedies nicht geben. Für Musikwissenschaftler wäre es eine Herausforderung, sich stilkritisch mit den einzelnen Damen auseinanderzusetzen und sie in ihre Zeit und Musikwelt zu positionieren – man könnte sich ein Buch zur CD vorstellen, das viel zu erzählen hätte.
Renate Wagner
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Die CD enhtält Lieder von
Rebecca Clarke (1886-1979),
Irène Poldivski (1879-1932),
Alma Mahler (1879-1964),
Amy Beach (1867-1944),
Clara Schumann (1819-1896),
Henriëtte Bosmans (1895-1952),
Isabel Mundry (b. 1963),
Marie Jaëll (1846-1925),
Rosy Wertheim (1888-1949),
Katharina Rosenberger (b. 1971),
Fanny Mendelssohn-Hensel (1805-1847),
Juliana Hall (b. 1958),
Henriette Puig-Roget (1910-1992),
Charlotte Bray (b. 1982),
Manuela Kerer (b. 1980),
Elizabeth Maconchy (1907-1994),
Ingeborg Bronsart (1840-1913),
M. Roesgen-Champion (1894-1976),
Madeleine Dring (1923-1977),
Ruth Schonthal (1924-2006),
Caroline Charrière (1960-2018),
Josephine Lang (1815-1880),
Cécile Chaminade (1857-1944),
Germaine Tailleferre (1892-1983)