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CD: JOSEPH LABITZKY • AUGUST LABITZKY: WALTZES • POLKAS • MARCHES • Nürnberger Symphoniker, Christian Simonis

05.06.2024 | Allgemein, cd

CD: JOSEPH LABITZKY • AUGUST LABITZKY: WALTZES • POLKAS • MARCHES • Nürnberger Symphoniker, Christian Simonis

Von galoppierendem Sprudel und anderen Merkwürdigkeiten

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Joseph Labitzky (1802-1881), Joseph Lanner (1801-1843) und Johann Baptist Strauss (Johann Strauss Vater, 1804-1849) gehören zu einer Generation. Unabhängig voneinander entwickelte jeder von ihnen eine eigene musikalische Sprache und so wurde jeder von ihnen, trotz mancherlei Parallelen, zu einem künstlerischen Unikat. Eine der Gemeinsamkeiten ist, dass ihre Werke, vor allem die Walzer, weltweit gefragt waren. Wie so manches, was als wienerisch gilt, böhmisch ist, stammt auch einer der Komponisten, Joseph Labitzky, aus Böhmen.

1802 nahe Karlsbad geboren, erhielt er schon in frühester Jugend in Petschau (heute Bečov nad Teplou) musikalischen Unterricht. Seit zwei Jahren Vollwaise schloss er sich mit 14 einer Gruppe reisender Musiker an und erhielt schon ein Jahr später eine Anstellung im Badeorchester von Marienbad. Da dies nur eine Saisonstelle war, musste er sich im Winter um andere Einkünfte kümmern und Betrieb Weiterbildung, so 1822/1823 bei Peter von Winter in München. In diese Zeit fällt auch seine Ausbildung zum Tuchscherer, denn die verlangte der Schwiegervater in spe für seine Zustimmung zur Heirat.1824 machte er den Meister und konnte so heiraten. Mit seinem eigenen Orchester und seinen Werken gastierte er in den Wintern 1825/1826 und 1826/1827 auch in Wien, wo er Lanner und Strauss Vater persönlich kennenlernte. Konzertreisen führten Labitzky und seine Orchester in diesen Jahren durch ganz Europa, von Paris und London über Dresden und Warschau bis Petersburg und Pawlowsk. Am 23. Mai schloss der Stadtrat von Karlsbad einen Vertrag mit Labitzky: er wurde Kapellmeister des Brunnenorchesters, das er und sein Sohn August (1832-1903) über die Jahre zum heute noch bestehenden Karlsbader Sinfonie-Orchester entwickelten. Vor allem August, der das Orchester 1868 übernahm und für 35 Jahre leiten wird, erweiterte das Repertoire. So dirigierte er in Karlsbad 1894 die europäische Erstaufführung von Dvořaks 9. Sinfonie «Aus der neuen Welt» oder 1900 die 3. Sinfonie Bruckners. 1876 und in den Folgejahren besuchte Labitzky junior die Festspiele in Bayreuth. Eine Zahl möge die Bedeutung und Vielfalt von Labitzkys Schaffen beschreiben: Im Jahre 1892 führten er und das Karlsbader Orchester in 860 Konzerten 2286 Werke auf.

Joseph Labitzkys Oeuvre umfasst über 300 Werke aller Gattungen. Seine Tanzmusik ist geprägt von einer südländischen Leichtigkeit und Melodik. Der Farben- und Ideenreichtum erinnert an jene Zeiten, als der Dreiviertel-Takt noch kein Synonym für den Walzer Straussscher Prägung war. So endet der Karlsbader-Sprudel-Galopp op. 31 (1847) mit dem Verklingen der Pauke, die für den Zusammenfall der Wasserfontäne steht. Der Efeuranken-Galopp op. 211 (1853) besticht mit seinem kontrastreichen Spiel mit den Dynamiken. August Labitzky führt den Stil des Vaters fort. In der herrlich melancholischen Idylle Traum der Sennerin op. 45 (1879) ersetzt in der vorliegenden Aufnahme die Harfe die Zither.

Die Nürnberger Symphoniker unter Christian Simonis setzen die Leichtigkeit der Musik virtuos um. So hat die eingespielte Musik Sucht-Potential.

Eine beflügelnde Entdeckung!

04.06.2024, Jan Krobot/Zürich

 

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