Joseph Haydn: No. 16 – The Surprise. Il Giardino Armonico. Kammerochester Basel, Giovanni Antonini, musikalische Leitung. Alpha-Classics, Alpha 698
Haydns überraschender Humor und Rossinis spritzige Leichtigkeit
Eine spannende Folge im Haydn-Zyklus mit Giovanni Antonini
Mit der 16. Folge des ambitionierten Haydn-Zyklus bei Alpha-Classics setzt Giovanni Antonini seine detailreiche, lebendige Interpretation der Werke Joseph Haydns fort. Dieses Album, das drei bedeutende Sinfonien des Wiener Klassikers enthält, legt den Fokus auf Haydns unverwechselbaren Humor und seine Lust am musikalischen Spiel mit den Erwartungen des Publikums. Ein besonderer Höhepunkt bildet die Aufnahme von Rossinis sprühender Ouvertüre zu „La Scala di seta“, die Haydns Esprit in gewisser Weise fortsetzt. Antonini und seine beiden Ensembles, Il Giardino Armonico und das Kammerorchester Basel, begeistern erneut mit ihrer präzisen, spritzigen Musizierweise.
Das Album eröffnet mit Haydns Sinfonie Nr. 98 in B-Dur, einem Werk voller Eleganz und einer gehörigen Portion humoristischer Überraschungen. Geradezu royale Gefühle entwickelt der feierliche Grundton des Adagios. Mit jauchzendem Elan überrascht das köstliche Menuett. Stürmisch und mitreißend findet diese Sinfonie ihr Ende, die Haydn 1792 in London komponierte. Die Sinfonie Nr. 94 in G-Dur, besser bekannt als die „Sinfonie mit dem Paukenschlag“, enthält einen der berühmtesten Momente der Musikgeschichte: den unerwarteten Fortissimo-Akkord im langsamen Satz, der das Publikum aus der vermeintlichen Gemütlichkeit reißt. Auch hier zeigt sich Haydn als Meister der musikalischen Pointe. Natürlich lassen sich Giovanni Antonini und sein fabelhaftes Orchester diesen Effekt nicht nehmen! Die dritte Sinfonie, Nr. 90 in C-Dur, gehört zu Haydns Pariser Sinfonien und spielt ebenfalls mit den Erwartungen der Hörer, insbesondere im Finale, das einen falschen Schluss vorgaukelt, bevor es in eine mitreißende Coda übergeht.
Als spannender Kontrast steht Rossinis Ouvertüre zu „La Scala di seta“ am Ende des Programms. Rossini, ein glühender Bewunderer Haydns, ehrt den Meister mit einer spritzigen, dynamischen Sinfonia, die den charakteristischen Esprit und die rhythmische Leichtigkeit zum Ausdruck bringt. Diese Werkwahl unterstreicht den humorvollen Charakter dieser CD-Folge und bildet einen charmanten Abschluss des Programms.
Giovanni Antonini, bekannt für seine lebendigen und historisch informierten Aufführungen, führt seine beiden Ensembles, Il Giardino Armonico und das Kammerorchester Basel, mit einer klaren, akribischen Hand. Beide Orchester sind für ihre präzisen, energetischen Interpretationen bekannt und vereinen kammermusikalische Transparenz mit sinfonischer Kraft. Antonini, der diesen Haydn-Zyklus bis zum 300. Geburtstag des Komponisten im Jahr 2032 abschließen möchte, zeigt sein tiefes Verständnis für die Vielfalt und den subtilen Humor in Haydns Musik. Sein Ansatz, historische Aufführungspraxis mit einer vitalen Lesart zu verbinden, verleiht den Sinfonien eine mitreißende Dramatik.
In der Sinfonie Nr. 98 beweist Antonini ein feines Gespür für die formale Balance des Werkes und betont den kontrastreichen Dialog zwischen Ernsthaftigkeit und Leichtigkeit. Die orchestrale Artikulation ist präzise, mit federnden Streichern und pointierten Bläsern, die dem Werk Lebendigkeit verleihen.
Die berühmte Sinfonie Nr. 94 mit ihrem „Paukenschlag“ erfordert nicht nur technische Raffinesse, sondern auch ein ausgeprägtes Timing, das Antonini meisterhaft beherrscht. Der überraschende Akkord im Andante kommt genau im richtigen Moment, ohne überzogen zu wirken. Die anschließende Frische des Menuetts und die wilde Energie des Finales sind typisch für Antoninis Stil – der Dirigent lässt das Orchester nie ausufern, sondern hält stets die Spannung aufrecht.
In der Sinfonie Nr. 90 zeigt Antonini seine Vorliebe für dramatische Gesten und humorvolle Feinheiten. Der falsche Schluss im Finale, der das Publikum scheinbar in die Irre führt, wird mit feinem Gespür für Überraschung und Spannung vorgetragen. Die Klarheit der Orchestrierung und die dynamischen Schattierungen im Spiel des Orchesters unterstreichen die fesselnde Wirkung dieses Werkes.
Rossinis Ouvertüre zu „La Scala di seta“ bringt noch einmal eine vitale, nahezu opernhafte Leichtigkeit in das Programm. Hier begeistert besonders das Orchester mit seiner brillanten, nuancierten Spielweise. Die perlenden Läufe der Streicher und die virtuosen Bläsereinsätze werden mit sprudelnder Freude vorgetragen, was den schwungvollen Charakter des Werkes perfekt einfängt. Antonini leitet seine Musiker mit einer Mischung aus Präzision und Elan, die Rossinis Musik zum Strahlen bringt.
Mit der 16. Folge des Haydn-Zyklus setzt Giovanni Antonini seine faszinierende Erkundung von Haydns sinfonischem Schaffen fort und beweist erneut, warum er als einer der herausragenden Interpreten dieses Repertoires gilt. Die humorvollen und überraschenden Momente in den Sinfonien Nr. 98, Nr. 94 und Nr. 90 kommen unter seiner Leitung mit feiner Ironie und technischer Brillanz zur Geltung. Rossinis spritzige Sinfonia zu „La Scala di seta“ bildet einen gelungenen Abschluss dieses Albums und verweist auf den Esprit, den Haydn auch in der Musik der Romantik hinterlassen hat. Eine CD-Aufnahme voller Eleganz, Lebendigkeit und musikalischem Witz, die jedem Haydn-Liebhaber Freude bereiten wird.
Dirk Schauß, im Oktober 2024
Joseph Haydn
No. 16 – The Surprise
Il Giardino Armonico
Kammerochester Basel
Giovanni Antonini, musikalische Leitung
Alpha-Classics, Alpha 698