CD JOSEPH HAYDN „DIE SIEBEN LETZTEN WORTE UNSERES ERLÖSERS AM KREUZE“ – Ensemble Resonanz, Riccardo Minasi; harmonia mundi
„Musica instrumentale sopra le 7 ultime parole del nostro Redentore in croce, ossiano 7 sonate con un‘introduzione ed al fine un terremoto“ Wiener Artaria Verlag
Von spanischen Adeligen des ‚Oratorio de la Santa Cueva‘ in Cadix für die Fastenzeit in Auftrag gegeben, stellen die sieben Instrumentalstücke, allesamt langsame Sätze für großes Orchester und mit einem furchterregenden Erdbeben in der Todesstunde endend, sieben Sonaten dar, die die letzten Sätze Jesu am Kreuz gestenreich in abstrakte schwarzumflorte Tongemälde setzen.
Gedacht für die Passionsandacht der „Tres Horas“, das sind die Stunden zwischen Mittag und drei Uhr am Karfreitag, hatten die sieben Sonaten die Aufgabe, jeweils eines der in den Evangelien dem sterbenden Jesus zugeschriebenen Worte “atmosphärisch umzusetzen und darüber zu meditieren.” Die früheste Version von 1787 ist für Orchester gesetzt, später hat Haydn Fassungen für Streichquartett, Klavier solo und sogar ein Oratorium nachgeliefert. Ich halte die Fassung für bloßes Orchester für die eindringlichste und überzeugendste. Riccardo Minasi und das herausragende Ensemble Resonanz (ihre jüngste Aufnahme der Cellokonzerte von Carl Philipp Emanuel Bach sind nichts weniger als Referenz) bieten eine grandios artikulierte, dramaturgisch fein abgestufte Lesart auf modernen Instrumenten.
Die kunstvoll differenzierte und reiche Instrumentierung (Violinen, Celli, Bratschen, Bässe, Flöten, Oboen, Fagotte, Hörner , Trompeten und Pauke) lässt vielfältigen Raum, tief erhabene Stimmung zu schaffen sowie die Emotionen zu den Bibelworten frei fluten zu lassen. Minasi kostet die Kontraste innerhalb der Sätze voll aus. Er weiß die subtilen dynamischen Anweisungen Haydns (Sonate V, “Mich dürstet”), die Verzierungen, das Gegenspiel von kammermusikalischer Andacht und mächtig aufrauschenden Tutti zu nutzen, um mit einer ungemein theatralischen Klangrede den Hörer zu fesseln. Im einleitenden Maestoso geben schroffe Dissonanzen und dunkle Akkorde das Thema vor. Das abschließende Erdbeben mit der Bezeichnung Presto con tutta la forza und einem fff-Schluss ist ein klangliches Elementarereignis, wie es der späte Haydn in der ‚Schöpfung‘ und den ‚Jahreszeiten‘ zur Vollendung gebracht hat. Haydns Musik spiegelt alle Phasen der schrecklichen Todesstunde Jesus wider, vom aufbegehrenden Aufschrei ‚Dei meus, Deus meus, ut quid dereliquisti me?‘ (“Mein Gott, warum hast Du mich verlassen”) bis zum herzzerreißend erlösenden ‚In manus tuas, Domine, commendo spiritum meum‘ (“In Deine Hände, Herr, lege ich meinen Geist”). Minasi und sein Orchester wissen um jedes Detail dieser solitären Partitur, sie spielen die Musik mit einer vor Intensität berstenden Dichte, aufregend und berührend wie kaum zuvor vernommen. Anhören!
Hinweis: Sehr schöne Einspielungen hat auch Riccardo Muti vorgelegt, einerseits mit den Berliner Philharmonikern und als absolute Rarität mit den Wiener Philharmonikern ziemlich flott (58 Minuten) live von den Salzburger Festspielen, 25. August 1982, in der Box “50 Jahre Großes Festspielhaus Salzburg” der Deutschen Grammophon,
Dr. Ingobert Waltenberger