Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

CD JOHANN SIMON MAYR: LE DUE DUCHESSE ossia LA CACCIA DEI LUPI, Opera semiseria; Weltersteinspielung; NAXOS

02.05.2020 | Allgemein, cd

CD JOHANN SIMON MAYR: LE DUE DUCHESSE ossia LA CACCIA DEI LUPI, Opera semiseria; Weltersteinspielung; NAXOS

 

Der Dirigent, Organist und Chorleiter Frank Hauk hat sich seit geraumer Zeit um die Wiederentdeckung des reichhaltigen Schaffens des Komponisten und Lehrers von Gaetano Donizetti Johann Simon Mayr verdient gemacht. Dank  seiner Initiative und der auf Raritäten abzielenden Aufnahmepolitik des Labels Naxos sind die Oratorien „Jacob a Labano fugiens“, „Samuele“ und „Gloas“, aber auch große Messen erstmals auf Tonträger zugänglich.

 

Nun legt Hauk mit der Weltersteinspielung der romantischen Semiseria “Le Due Duchesse ossia La caccia dei lupi“ auf ein Libretto von Felice Romani aus dem Jahr 1814 nach. In „Die beiden Herzoginnen oder Die Wolfsjagd“ feiert das England des Mittelalters Urständ. Und der junge stilprägende Rossini hinterlässt beim von der Instrumentierungsnoblesse der Wiener Klassik und der neapolitanischen Seria inspirierten Mayr tiefe Spuren. 

 

Die Musik des Stücks, das auf Schloss Athelwood spielt, kling denn trotz mittelalterlicher Burgromantik im Grundton temporeich heiter und voller schwungvoller Italianità. Es geht – wie könnte es anders sein – um Liebesdinge und Heiratssachen in dieser Oper voller origineller Melodien und kunstvoll arrangierter Ensembles. 

 

Die reichlich abstruse und echtes Sentiment mit Parodie verquickende Handlung geht in etwa so: Da hätten wir als erstes Paar Malvina (großartig mit Cecilia Gasdia Timbre Eun-Hye Choi, Sopran), die von ihrem Vater Loredano (Jaegyeong Jo, Bass) gesucht wird und mit Herzog Enrico (ganz exzellent Markus Schäfer mit lyrisch leuchtendem  Tenor) verheiratet ist. Auf Dienerebene turteln der Oberjäger Berto (mit knackiger Figaro Attitüde Samuel Hasselhorn, Bariton) mit Laura (mit in den höchsten Höhen noch leichtgängiger vollkommen freier Engelstimme Tina Marie Herbert), der Kammerzofe der Herzogin. Der Haken für die Hochzeit der beiden: Der Herzog fordert von Berto 101 erlegte Wölfe als Steuer und ein Wolf fehlt noch. Bei solcher Jagdwut machen sich aber auch die Wölfe rar. Als sich der König Edgar (heldisch mit Tophöhen Young-Jun Ahn, Tenor) zur Jagd ankündigt, platzt des Sohnemanns (=Herzog) dunkles Geheimnis: Malvisa war nämlich für den König bestimmt und der verliebte Herzog habe vorgeben, Malivisa sei des Königs nicht würdig, um die Schöne selber ehelichen zu können. Also muss als “Ausweg” eine Intrige her: Laura, die Verlobte von Berto, soll sich als Malvina ausgeben, während die Herzogsfrau sich bei Pietro (Andreas Mattersberger, Bass) versteckt. Klar gibt es am Herzogshof auch hinterhältige Elemente  wie den Höfling Artur (Jörn Lindemann, Tenor), der dem König gegenüber so seine Andeutungen macht. Blöd auch, dass Loredano bei der Jagd im Wald in Malvina seine Tochter erkennt und der König nicht länger mit sich spassen lässt. Jede Menge an Arien, Duetten, Ensembles und Chören später kommt die erlösende Nachricht aus London: Der König hätte sich schon einer Comtessa versprochen, die die unverzügliche Hochzeit fordert. Der Apfel fällt also nicht weit vom Stamm. Papa König und Bub Herzog stellen sich beide als Ehebetrüger heraus. Jetzt kann der König seinem Sprössling verzeihen: “Tutto perdono, e obblio…”. Alle besingen den “gütigen Herrscher” und Berto den 101sten erlegten Wolf. 

 

Wem das alles zu blöd ist, der halte sich an die Musik, die ist nämlich schlichtweg von der ersten bis zur letzten Note grandios, voller Überraschungen und ausgesprochen kurzweilig. Schon in der rasanten Ouvertüre deutet sich an, wie geschickt Mayr Elemente der Opera Seria in romantische Empfindsamkeit zu hüllen vermag und das Ganze mit keckem musikalischem Humor aufpeppt. Was für ein begnadeter Chorkomponist Mayr ist, wird bereits in der Introduzione klar, als ein mit Hörnerklängen geschmückter Jägerchor erklingt, der es mit Haydns ebensolchem aus den “Jahreszeiten“ aufnehmen kann.   

 

Die zahlreichen Chornummern werden vom Simon Mayr Chor und Mitgliedern des Bayerischen Staatsopernchors erstklassig präsentiert. Das ebenfalls hochprofessionelle und temperamentvoll engagierte Orchester “Concerto de Bassus” setzt sich aus Professoren und den besten diplomierten Musikern der Hochschule für Musik und Theater München zusammen. Sie bringen den ganzen Reichtum der Partitur zum Klingen, das flötet und geigt, singt und lacht, dass es eine helle Freud’ ist. 

 

Auf zwei CDs gibt es viel an traumhaft schöner Musik zu hören, die noch dazu gute Laune macht. Die zweite CD ist dazu mit 85,25 Minuten überlang. Nicht nur für alle Opernfreude, die von den technisch beleibe nicht immer erstklassigen Streams schon die Nase voll haben, eine unverzichtbare Neuerscheinung. 

 

Weiterer Tipp: Johann Simon Mayr: Messe  in Es-Dur, rekonstruiert und arrangiert von Franz Hauk und Manfred Hößl. Auch bei dieser NAXOS- Weltersteinspielung sind der Simon Mayr Chorus und das Ensemble Concerto de Passus mit von der Partie. Markus Schäfer singt die Tenorsoli, es dirigiert Franz Hauk. So berauschend schön wie eine Haydn-Messe.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

Diese Seite drucken