CD In Te Domine Speravi: Günther Groissböck und Matthias Giesen, Orgel, interpretieren geistliche Musik von F. Schmidt, J. Haydn, J.S. Bach, Mozart, Bruckner und Brahms; Gramola
Als Opernsänger reüssiert er mit seiner dunkel üppigen, sämigen Bassstimme und als innovativer Gestalter (Stichwort: Ochs von Lerchenau), als Liedsänger mit einer fein austarierten Auslegung des poetischen Gehalts der in Klang gegossenen Lyrik. Dass Günther Groissböck auch als Konzertsänger bella figura macht, ist etwa von den Einspielungen von Anton Bruckners „f-Moll Messe“ (Wiener Konzerthaus 2013; Dirigent Cornelius Meister) oder dessen „Te Deum“ (November 2010 aus der Philharmonie im Gasteig; Dirigent Bernhard Haitink; BR-Klassik) her bekannt. Aus Bruckners „Te Deum“ stammt auch das Motto des aktuellen Albums ‚In Te domine speravi‘ (‚Auf Dich Herr, vertraue ich‘). Dieser letzte Teil des Werks startet in C-Dur, er ist von Zuversicht und himmlischer Glückseligkeit durchdrungen. Der Satz endet mit einer gewaltigen Doppelfuge auf das lichte, apotheotisch strahlende ‚non confundar in aeternum‘ (‚Dass ich in Ewigkeit nicht vergehe‘). Für das Publikum, jeden Chor und die vier Solisten ein absoluter Traum.
Das in der Stiftsbasilika St. Florian aufgenommene Album mit geistlicher Vokalmusik nimmt auf zwei Jubiläen Bedacht: Auf Anton Bruckners 200. Todestag und auf Franz Schmidt, dessen 150. Geburtstag am 22.12.2024 ansteht. Das Album schließt zudem, wie ich meine, eine Lücke in der umfangreichen Diskografie des Sängers, weil Groissböck etwa mit der stilistisch vorzüglichen Interpretation von zwei Arien aus J.S. Bachs Kantate „Ich habe genug“, BWV 82 Repertoire aus der deutschen Barockzeit vorstellt, das man von ihm weniger kennt. Wahrlich überraschend ist, wie Groissböck hier beeindruckende Stimmfülle, leichtgängige Verzierungen (‚Ich freue mich auf meinen Tod‘) und beklemmenden Ausdruck zu einem stimmigen Ganzen rundet.
Ein Teil des Reizes des Albums besteht in der Formation des Instrumentalparts, weil sich dieser ungewöhnlicherweise aus einer Orgel (Matthias Giesen), aus Oboe (Clemens Horak – Bach) sowie Hörnern (Manuel Huber und Wolfgang Vladar – ‚Quoniam tu solus sanctus‘ aus der h-Moll Messe; Messe in C-Dur von Bruckner) zusammensetzt. Die Solisten von Oboe und Horn sind Mitglieder der Wiener Philharmoniker.
Bass und Orgel bilden ebenfalls das ungewöhnliche Duo in den „Vier ernsten Gesängen“, Op. 121 von Johannes Brahms. Gerahmt wird das Programm vom mächtigen Anruf des Herrn ‚Ich bin das A und O‘ aus Franz Schmidts Oratorium „Das Buch mit sieben Siegeln“, dessen Präludium in D-Dur das Album instrumental wuchtig ausklingen lässt. Dieses 1928 komponierte sog. „Halleluja Präludium“ aus den vier kleinen Präludien und Fugen diente Schmidt als Vorlage für den ‚Halleluja Chor‘ seines gewichtigen Oratoriums
Die Arie des Raphael ‚Nun scheint in vollem Glanze der Himmel‘ aus dem zweiten Teil von Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“, ein Solo Arrangement von W. A. Mozarts berühmtem Chor ‚Ave verum corpus‘ KV 618 und ein ‚Ave-Maria‘ von Anton Bruckner gehören ebenfalls zu dem in sich kongruenten wie spannenden Programm.
Punktet der Liedsänger Günther Groissböck vor allem mit dynamischer Differenzierung und sich gegenseitig durchdringender Wort-Klangrede, so stellt Groissböck als Konzertsänger geistlicher Meisterwerke das Spiel mit Licht und Schatten, das Chiaroscuro der Stücke und deren tiefe Spiritualität in den Vordergrund. Der Hörer freut sich über satte Vokalfarben, die der Vielfalt von abwechselndem Sonnenlicht und Wolken entsprechen, die Kathedralen mit bunten Kirchenfenstern von außen her beleuchten. Der Interpretationsraum scheint sich bei aller intensiven Durchdringung der Texte in diesen Stimmungen zu materialisieren. Außerdem gefällt das ruhig fließende Legato („Ave verum corpus“), die lang gesponnenen Phrasen und Bögen sul fiato und das geschmeidige Einbinden der extremen Tiefe und Höhe in den musikalischen Fluss.
Das fantastische, Spiritualität und rauschhafte Klangwirkung verbindende Orgelspiel des Matthias Giesen auf der berühmten „Bruckner Orgel“ trägt das Ihrige dazu bei, die atmosphärischen Nuancen von alttestamentarischer Strenge, Nachdenklichkeit, Gotteslob und freudigem Jubel in unverwechselbarer Art und Weise zu verdichten. Und wer käme beim Hören dieses prächtigen Albums nicht der Vergleich in den Sinn, dass sich hier der mächtig bis sanft orgelnde Bass von Groissböck aufs Beste mit den Orgelklängen aus Str. Florian mischt.
Trotz der populären Nummern von Haydn, Mozart und Bach ist dieses Album weit davon entfernt, so etwas wie ein „Best of“ für Bass zu sein. Dafür sorgt schon die Wahl der wenig bekannten frühen choralandächtigen „Windhaager“-Messe in C-Dur aus dem Jahr 1842, als Bruckner Beschäftigung als Schulgehilfe im Mühlviertler Windhaagen fand und seine Komposition der Bäckerstochter Anna Jobst widmete. Auch die dritte, vom Tonumfang und den weit gespannten Phrasen her außerordentlich anspruchsvolle „Ave-Maria“-Vertonung Bruckners für Sologesang und Orgel, die er für die Sängerin Luise Hochleithner schrieb, und die beiden Lieder „O du liebes Jesu Kind“ und „In jener letzten der Nächte“ stellen ausgesprochene Raritäten dar, die die vielen, vor allem sinfonischen Publikationen im Bruckner Jahr sinnvoll ergänzen.
Fazit: Groissböck einmal in einem anderen Repertoire und das in stimmlicher Höchstform. Dazu herausgreifend Brahms „Vier ernste Gesänge“, diesfalls mit einer diesem Zyklus völlig neue Nuancen abgewinnenden Orgelbegleitung, epochal gesungen.
Dr. Ingobert Waltenberger