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CD GEORG FRIEDRICH HÄNDEL: ALEXANDER’S FEAST – Live-Mitschnitt vom Styriarte Festival 2024; Arcana

11.08.2025 | Allgemein, cd

CD GEORG FRIEDRICH HÄNDEL: ALEXANDER’S FEAST – Live-Mitschnitt vom Styriarte Festival 2024; Arcana

„Musik ist so gefährlich wie Schießpulver“ Jeremy Collier 1698

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Nun ganz so heiß wurde und wird die moralgefettete Kartoffel des englischen Theaterkritikers und Theologen Collier nicht gegessen. Natürlich hat sich seit jeher auch die Musik selbst mit den Mysterien ihrer ureigenen verführerischen Wirkungen befasst. Als Beispiel mögen etwa die vielen Vertonungen der griechischen Sage von Orpheus und Eurydike dienen. Da geht es um die zauberische Schönheit der menschlichen Stimme und ihrer Fähigkeiten, Übernatürliches auszulösen.

Der 50-jährige Händel hat sich ein Sujet vorgeknöpft, in dem ein Sänger die Stimmungslagen eines siegreichen Herrschers durcheinanderwirbelt, die finale christliche Apotheose weihräuchernd darüber gestäubt. Mit „Alexander’s Feast or the Power of Music“ nach Versen des britischen Dichters John Dryden, von Newburgh Hamilton mundgerecht zurechtgestückelt, hat Händel das gesamte Füllhorn seiner Kunst zur höheren Ehre dieser Ode an die hl. Cäcilia für Soli, Chor und Orchester ausgeschüttet.

Inhaltlich geht es vordergründig um ein großes Fest, das Alexander der Große nach seinem Sieg 330 v. Chr. in der eroberten Stadt Persepolis ausrichtete. Mozart arrangierte das Stück für die deutsche Sprache 1789 im Auftrag von Baron Gottfried van Swieten unter dem Titel „Timotheus oder die Gewalt der Musik“. Nikolaus Harnoncourt hat zu dieser Fassung eine gültige Einspielung vorgelegt (Mitschnitt eines Konzerts vom 29. November 2012 zum 200. Geburtstag der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien).

Der italienische Oboist, Dirigent und Musikwissenschaftliches publizierende Alte-Musik-Guru Alfredo Bernardini hat mit seinem Konzert auf der Styriarte 2024 auf die englische Originalversion zurückgegriffen. Gemeinsam mit dem 1989 u.a. von ihm gegründeten Ensemble Zefiro Baroque Orchestra und den Solisten Miriam Kutrowatz (Sopran), Daniel Johannsen (Tenor und Damien Gastl (Bass) ist eine musikalisch ausgewogene, feinsinnige Wiedergabe gelungen.

Der musikalische Duktus kommt ohne überartikulatorische Schroffheiten aus. Daraus ist zu exemplarisch zu lernen, wie nicht nur die historisch informierte Aufführungspraxis samt ihren differenzierten Bogenstrichtechniken und reduziertem Vibratodenken bis tief in die Interpretationen moderner Orchester hinein ihre Spuren hinterlassen hat, sondern wie ein gewisser klanglich opulenterer Ansatz auch in die andere Richtung organisch Platz greift. Formal laufen die sieben Strophen der Vertonung nach dem Muster orchesterbegleitete Rezitativ, Arien und Chöre ab.

Alexander thront mit der schönen Thaïs beim Gelage, während der Sänger Timotheus – verstärkt vom Hofstaat – den göttlichen Ursprung des Herrschers besingt. Es folgen Lobeshymnen auf den Weingott Bacchus, bevor der Kitharaspieler Timotheus in einem herzergreifenden Memento mori den einsamen Tod des feindlichen Königs Darius, des mächtigsten Herrschers des Orients, beklagt. Liebe und Musik treten in einen kleinen Wettstreit (‚So Love was crown’d, but Music won the cause‘), wobei das gegenseitige seufzerische Anhimmeln des Paars Thaïs und Alexander letzteren so ermüdet, dass er einschläft. Timotheus muss alle Orchester- und Chorstärken inkl. Pauken und Trompeten beschwören, um dem müden Herrscher wieder auf die Sprünge zu helfen.

Dann wird’s dank der Erscheinung von gefallenen Griechen rachekriegerisch. Thais will nämlich die 150 Jahre zurückliegende Zerstörung Athen durch die Perser mit dem Brand von Persepolis ausgleichen. Ein Feuer, das der echte Alexander alsbald zu löschen befehligt haben soll.

Aber es geht in Alexander’s Feast ja nicht um die Chronologie eines historischen Ereignisses, sondern um die ‚Power of Musick‘. ‚Zorn und sanftes Mitgefühl‘ will Timotheus mit seinem Gesang seit jeher erwecken. Dass da noch viel mehr an Wirkungsmacht von Musik drinnen ist, symbolisiert in einem gewaltigen Zeitsprung die Erscheinung der engelgleichen Heiligen Cäcilia an der Orgel. Mit den spirituellen Worten ‚He raised a mortal to the skies, she drew an Angel down‘, (der sterbliche Alexander darf in den Himmel, die Engel bringen die reine Tonkunst auf die Erde), endet das allumspannende Werk, das in der Einleitung die Schöpfung aus dem Chaos anklingen lässt.

Griechisches und Christliches in himmlischen und das Göttliche verherrlichenden Tönen vereint, da ließ sich Händel musikalisch wahrlich nicht lumpen. Vor allem die Chöre, vom fantastischen Arnold Schoenberg Chor homogen wie ausdruckstrunken aufbereitet, sind mit der finalen spektakulären Quadrupelfuge ereignishaft.

Aber auch sonst weiß Händel Lautmalerisches mit zartem Strich zu pinseln, Eingängiges effektvoll zu platzieren (‚The many rend the skys with laud applause‘, Stanze V) sowie mit seinem kunstreichen Geburtstagsgeschenk an die Santa Cecilia seiner einzigartigen Kunst und der Wirkungsdichte der Musik generell ein würdiges Denkmal zu setzen.

Das Schießpulver kann hier ruhig dort bleiben, wo es ist. Empfehlung!

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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