CD: Franz Schreker Complete Orchestral Works Vol. 2 Bochumer Symphoniker Steven Sloane, musikalische Leitung cpo, 777 703-2
Tönender Jugendstil – Die zweite Folge von Franz Schrekers Orchesterwerken
Mit der zweiten Folge der Gesamteinspielung von Franz Schrekers Orchesterwerken bei cpo setzen die Bochumer Symphoniker unter Steven Sloane ihre spannende Entdeckungsreise fort. Nach der Präsentation früherer Werke, die den künstlerischen Werdegang Schrekers bis zur Oper „Der Geburtstag der Infantin“ beleuchteten, liegt der Fokus dieses Albums auf der Blütezeit seines Schaffens – den Jahren seiner größten Triumphe. Die klanglich überwältigenden Werke des musikalischen Jugendstils und eine reizvolle Annäherung an die Moderne verbinden sich hier zu einem faszinierenden Porträt dieses weitgehend vergessenen Komponisten.
Franz Schreker (1878–1934) gehört zu den bedeutendsten Vertretern des musikalischen Jugendstils. Seine Werke, geprägt von reicher Harmonik und orchestraler Farbigkeit, schufen einzigartige Klangwelten, die tief in die Emotionen seiner Zeitgenossen griffen. Mit der Premiere seiner Oper „Der ferne Klang“ (1912) erreichte Schreker den Höhepunkt seines Ruhms, bevor sein Name durch politische und gesellschaftliche Umstände in Vergessenheit geriet. Dieses Album stellt drei markante Werke vor, die Schrekers klangliche Meisterschaft und seine musikalische Entwicklung eindrucksvoll dokumentieren.
Das 1914 entstandene Vorspiel zu einem Drama gehört zu den herausragenden Orchesterwerken Schrekers. Ursprünglich als Einleitung zu einer Oper konzipiert, die nie vollendet wurde, entfaltet dieses Vorspiel fesselnde Dramatik und schwelgerischen Farbenreichtum. Mit ausgedehnten Melodiebögen und subtilen Klangschichtungen führt Schreker hier die Hörer in eine Welt von Sehnsucht und Tragik. Steven Sloane und die Bochumer Symphoniker erfassen die komplexe Harmonik und den emotionalen Gehalt des Vorspiels zu einem Drama mit beeindruckender Klarheit. Besonders hervorzuheben ist der nuancenreiche Umgang mit den dynamischen Extremen, die Schreker in seiner Partitur virtuos auslotet. Die Streicher glänzen durch einen warmen, satten Klang, während die Bläser die schillernden Details des Werkes gekonnt herausarbeiten.
Die Vier kleinen Stücke für großes Orchester aus dem Jahr 1931 repräsentieren eine andere Facette Schrekers. Ursprünglich für den Tonfilm gedacht, wirken diese Stücke wie eine konzertante Suite, die durch prägnante Themen und eine straffere Formensprache auffällt. Die Musik ist modern, kraftvoll und überraschend kompakt, ohne jedoch auf die orchestrale Fülle zu verzichten, die Schrekers Handschrift ausmacht. Hier zeigen die Bochumer Symphoniker eine brillante Präzision. Unter der Leitung von Steven Sloane gelingt es ihnen, die Wechselspiele zwischen Ausdruckskraft und Subtilität bestens auszubalancieren. Die kurzen, pointierten Sätze fordern ein Höchstmaß an rhythmischer Disziplin, die das Orchester mit Leichtigkeit meistert. Der farbenreiche Gesamtklang lässt Schrekers Experimentierfreude lebendig werden.
Die 1916 entstandene Kammersymphonie markiert einen Höhepunkt in Schrekers Schaffen. Mit ihrer ungewöhnlichen Besetzung – einer Kombination von Solisten und Orchestergruppen – und einer raffinierten Polyphonie entfaltet sie ein dichtes Geflecht aus Motiven und Klangfarben. Die Musik wirkt wie ein filigranes Mosaik, in dem jede Stimme eine eigene Bedeutung trägt und dennoch zum Gesamtbild beiträgt. Jugendstil in Tönen! Die Bochumer Symphoniker beeindrucken in der Kammersymphonie durch ihre Liebe zum Detail. Steven Sloane gestaltet die komplexen Strukturen mit größter Sorgfalt, wobei er die Transparenz des Orchesters bewahrt. Besonders die Holzbläser überzeugen mit einem klanglichen Facettenreichtum, der die Vielschichtigkeit der Partitur vielschichtig offenlegt.
Diese zweite Folge der Gesamteinspielung von Franz Schrekers Orchesterwerken setzt hohe Maßstäbe. Steven Sloane und die Bochumer Symphoniker präsentieren die Musik mit deutlicher Leidenschaft und klanglicher Raffinesse. Die Einspielung lädt dazu ein, Schreker als einen Komponisten neu zu entdecken, der nicht nur den Jugendstil meisterte, sondern auch den Weg in die Moderne wies. Mehr davon!
Dirk Schauß, im November 2024
Franz Schreker
Complete Orchestral Works Vol. 2
Bochumer Symphoniker
Steven Sloane, musikalische Leitung
cpo, 777 703-2