CD
Francisco Fullana (Violine)
BACH’S LONG SHADOW
Orchid Classics label
Erscheint am 28, Mai 2021
Der spanische Violinist Francisco Fullana, der seit einigen Jahren die Erfolgstreppe empor klettert und die großen Violinkonzerte der Musikliteratur schon mit bedeutenden Orchestern gespielt hat, ist bei seiner zweiten CD angelangt – und wie bei seiner ersten setzt er auch hier besondere Akzente.
Fullana, geboren in Palma di Mallorca, dort ausgebildet, absvolvierte anschließend das Königliche Konservatorium in Madrid und in der Folge noch die Juilliard School in New York. Seither säumen Wettbewerbs-Preise, lobende Kritiken und Empfehlungen (u.a. von Gustavo Dudamel) seinen Weg. Dass er diesen nicht in die gerade Richtung des internationalen Virtuosentums allein gehen will, sondern auch andere Interessen hat, zeigen etwa seine sommerlichen Kurse für Kinder aus finanzschwachen Familien.
Auch seine CDs bewegen sich nicht im Bereich des Üblichen und leicht Verkäuflichen. Die erste mit dem Titel „Through the Lens of Time“ befasste sich mit den Beziehungen moderner Komponisten (Max Richter, Alfred Schnittke, Salvador Brotons und Isang Yun) zur Barockmusik. Ähnlich ist das Konzept der nunmehrigen CD mit dem Titel „Bach’s Long Shadow“ abgelegt.
Dem Schatten, den der Gigant warf, geht Francisco Fullana nun mit den Werken von Francisco Tarrega (1852-1909), Eugene Ysaye (1858-1931), Isaac Albeniz (1860-1909) und Fritz Kreisler (1875-1962) nach. Kreisler hat er nach eigener Aussage in seine Auswahl aufgenommen, weil er das Glück hat, auf einem von seinen Instrumenten (als Leihgabe) spielen zu dürfen, auf einer Guarneri del Gesù von 1735 (“Mary Portman”).
Obwohl für Francisco Fullana Bachs Partita für Violine Nr 3, BWV 1006, das Zentrum ist, von dem seine Überlegungen zu den anderen Komponisten ausgehen, steht dieses Werk auf der knapp einstündigen CD erst an zweiter Stelle. Er beginnt und endet mit dem Belgier Eugene Ysaye Dieser hat explizit nach Bach’scher Inspiration Violinwerke geschrieben, die es an Schwierigkeit mit dem Vorbild aufnehmen können (was dann wiederum eine besondeer Herausforderung an die Virtuosität für den Interpreten ist). Obwohl Fullana tatsächlich das Risiko eingeht, auf dieser CD die Violine und nur die Violine solo sprechen zu lassen, durchbricht er das für das Schlußstück, Ysayes Sonate für 2 Violinen, das er zusammen mit Stella Chan interpretiert. Gleichfalls aus der Juillard School kommend, ist auch sie eine mehrfach preis gekrönte Geigerin.
Neben Fritz Kreisler, dessen Name ja für geigerische Virtuosität steht, hat Fullana noch zwei spanische Landsleute in sein Programm aufgenommen, wobei interessant ist, dass Isaac Albeniz eigentlich für Klavier, Francisco Tarrega vordringlich für Gitarre schrieb. Hier sind Werke einfach für die Violine arrangiert worden.
Alle Werke dieser CD rund um den zentralen Bach sind extrem anspruchsvoll, aber Francisco Fullana hat immer betont, dass perfektes Handwerk zwar für die Interpretation unabdingbar ist, ebenso wichtig sei es aber, mit der natürlichen Empfindsamkeit zu spielen, die man in seinen jungen Jahren gehabt hat.
Nun, der kaum über 30jährige Fullana ist alles andere als alt. Bemerkenswertes, „reifes“ Können und hohe, „jugendliche“ Spannkraft machen es leicht, eine Stunde lang einfach der Solovioline und ihren Möglichkeiten zuzuhören. Niemand ist hier von Bachs langem Schatten erdrückt worden.
Renate Wagner