Neue CD: Ermanno Wolf-Ferraris „Il segreto di Susanna“ („Das Geheimnis der Susanna“) bei Oehms Classics im Vertrieb von Naxos erschienen/
Ehekrach mit Happy End
Diese Aufnahme mit dem Orchester der Berliner Operngruppe unter der inspirierenden Leitung von Felix Krieger strahlt ungeahnte Lebendigkeit aus. Graf Gil kommt nach Hause. Er meint auf der Straße seine Frau Susanna gesehen zu haben. In der Wohnung bemerkt er Zigarettenrauch und wittert einen ungebetenen Liebhaber. Er selbst mimt die Tugend in Person: „Ich spiel‘ nicht, ich rauch‘ nicht, ich trink‘ nicht!“ Der Diener Sante stört hier immer wieder deutlich hörbar das Tete-a-Tete auf der Chaiselongue. Das Paar preist dabei seine Liebe. Doch als der Graf erneut Zigarettenrauch wahrnimmt, steigert sich seine Wut in Raserei, er beschimpft Susanna, droht mit Gewalt. Es gelingt ihr nicht ein zweites Mal, seine Zweifel zu zerstören. Der Graf macht sich auf den Weg zu seinem Club. Aber er kehrt schon nach kurzer Zeit zurück – denn er möchte seine Frau mit ihrem Liebhaber in flagranti erwischen. Die Atemlosigkeit des Geschehens bringt der Dirigent Felix Krieger gut zum Ausdruck. Susanna hat inzwischen Angst um die Gesundheit ihres Mannes. Auf ihre Frage, was er denn suche, antwortet er: „Den Regenschirm!“ Als sie ihm diesen gibt, verlässt er die Wohnung, um dann im nächsten Moment wiederzukommen. „Wo ist der Schurke?“ schreit er. Als er auf seine Frau zugeht, verbrennt er sich auch noch die Hand an ihrer Zigarette. Er wirft seine Tugenden über Bord und ist erleichtert: Ab jetzt rauchen sie gemeinsam! Ermanno Wolf-Ferraris Opern-Einakter kommt als spritzige Komödie in D-Dur daher. In der Ouvertüre werden forsch vier Themen vorgestellt und kunstvoll verarbeitet. Wuchtige Akkorde, rasante Sechzehntelläufe und prägnante rhythmische Motive wechseln sich hier facettenreich ab. Gils Arie erinnert zuweilen an die berühmte „Verleumdungs“-Arie aus Rossinis „Barbier von Sevilla“. Und Susannas Klavierspiel gemahnt sogar an Mozart, was ihren Mann sichtlich besänftigt. Es gelingt dieser Aufnahme, elektrisierende Opernatmosphäre hervorzuzaubern. Selbst Pergolesis „La serva padrona“ bleibt spürbar. Gräfin Susanna interpretiert Lidia Fridman mit farbenreich-betörendem Sopran, während Graf Gil von Omar Montanari mit famos-voluminösem Bariton dargeboten wird. Das aus der Sprachmelodie abgeleitete Parlando klingt hier überaus flüssig, leidenschaftliche Steigerungen besitzen wahrhaft melodischen Reiz. Die E-Dur-Kantilene Susannas überzeugt als Hymne auf die Seligkeit des Rauchens, die Lidia Fridman feinnervig interpretiert. Guido Lamprecht spielt hier als Diener Sante eine stumme Rolle. Die Miniaturouvertüre verzaubert den Hörer mit ihrer kontrapunktischen Virtuosität. Als sich das Paar setzt, blitzt Mozarts Todes-Tonart g-Moll auf. Der Ehekrach gleicht einer Schlachtenmusik, selbst ein Motiv aus Beethovens fünfter Sinfonie ist zu hören. Chromatische Tonleitern der Violinen unterstreichen die zuweilen fast sphärenafte Aura dieser Musik, selbst ein Motiv aus Claude Debussys „Nachmittag eines Faun“ klingt an. Als der Graf sich die Finger an einer Zigarette verbrennt, fährt eine None durchs Orchester. Dieses grelle Intervall der kleinen Sekunde leitet zu Reminiszenzen aus Giuseppe Verdis „Falstaff“ über. Eine hörenswerte Aufnahme, die keinen Moment Langeweile aufkommen lässt.
Alexander Walther