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CD: Brahms, Piano Concerto Nr.1 d-Moll opus 15 Ekaterina Litvintseva

17.10.2018 | Allgemein, cd

CD

 Brahms, Piano Concerto Nr.1 d-Moll opus 15

Ekaterina Litvintseva

Klassische Philharmonie Bonn
Heribert Beissel

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 Wie konnte ein gerade 21jähriger ein Werk von so viel kolossaler, unmittelbarer Ausdrucksschwere schreiben? Das erste Klavierkonzert von Johannes Brahms wirft in dieser Hinsicht mehr Fragen auf, als dass Antworten geliefert werden. Resultiert dieser frühreife tiefe Ernst in der Verarbeitung emotionaler Ausnahmezustände, wie sie vermutlich am Anfang dieses Werk-Projektes standen?

Schöpfergeister lassen aus solchen Situationen heraus Großes entstehen.

 Wer es mit Johannes Brahms Erstem Klavierkonzert interpretatorisch aufnimmt, braucht daher neben aller kühnen Technik vor allem eins: Empathie und eine weniger virtuose, dafür umso emotionalere Musikalität. All dies bietet die aus Russland stammende Pianistin Ekaterina Litvinseva, wenn ihr Spiel allen Tiefenschichten der Komposition gerecht wird und zugleich alles vor kraftstrotzender Vitalität nur so sprüht. Sie und das hochmotivierte Orchester der klassischen Philharmonie Bonn ziehen an einem Strang und dringen damit zum emotionalen Wesenskern dieser Komposition vor. Statt im Studio kleinteilig an Details herumzuschrauben, ging man das Wagnis einer Live-Aufnahme ein. Sie stand am Ende von 12 Konzerten, die in einer kompakten Tournee kurz hintereinander gespielt wurden. Auch das muss sein übriges getan haben, damit ein emotional mitreißender Spannungsbogen hörbar reifen konnte.

 Straff durchgetaktet wirkt das Metrum gleich zu Anfang – vor allem dieser Sechsachteltakt, der an Beethovens Eroica erinnert. Dirigent Heribert Beissel türmt mit kontrollierter Kraftentfaltung die Crescendi auf, lässt im nächsten Moment – wenn angezeigt – den Gestus reaktionsschnell zu empfindsamer Weichheit im fließenden Seitenthema mutieren. Dieses Gefühl für hellhörige Dramaturgie wirkt allein im Orcheser intuitiv genug, damit Ekaterina Litvinsevas Spiel allen Entfaltungsraum bekommt, den es hier braucht. Aus einer tiefen Ruhe heraus kommt ihre „Antwort“ auf die theatralische Vorbereitung durch das Orchester. Dann pflegt ihr Spiel ein traumwandlerisches Miteinander aus elastisch atmendem Rubato gepaart mit unbestechlich rhythmischer Präzision. Was sich auch fortsetzt, wenn sich ihr Spiel mit kantablen schwelgerischen Bögen der Streicher und Holzbläser gefühlvoll vereinigt.

 Tief versunken dialogisieren Solistin und Orchester im weitgespannten Adagio, bevor ein lebensbejahendes Rondo mit viel Spiellust, aber kontrolliert nach vorne prescht und wo Ekaterina Litvinseva vor allem am Anfang in kristallklarer Präzision die Bach-Spurenelemente in Brahms Musik beleuchtet. Noch eine Spur stärker als in den beiden vorausgegangenen Sätzen lebt hier die Symbiose zwischen Solistin und Orchester. Und auch in den ausdrucksstarken solistischen Kommentaren, die sich unter den Händen dieser einfühlsamen Interpretin Gehör verschaffen, wird eines klar: Hier ist die Botschaft auf eine sehr persönliche Weise erfasst worden. Was es jetzt noch braucht: Ebenso viel „emotionale Intelligenz“ des geneigten Hörers, um sich diesem umfassenden Seelengemälde verstehend zu öffnen.

 Johannes Brahms, Klavierkonzert Nr. 1

Ekaterina Litvinseva: Klavier

Klassische Philharmonie Bonn

Heribert Beissel

 

Hänssler Classics 2018

 

 

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