CD „BIRDS“ – SERENA SÁENZ mit einer koloraturakrobatischen Hommage an unsere gefiederten Freunde; Euroarts
Traumhaftes Debütalbum
Frühling ist die Jahreszeit, wo die Gesangstalente der Lüfte mit ihren unglaublich virtuosen Improvisationen so richtig loslegen und zwitschern, rufen und locken, um den schönsten Partner oder die aufregendste Partnerin für ihre hoffentlich zahlreiche Nachkommenschaft zu gewinnen. Die sängerischen Fantasien der in allen Farben glänzenden Wettbewerber scheinen keine Grenzen zu kennen. Knapp vor Sonnenaufgang starten die Amseln, zu ihnen gesellen sich im Laufe des Tages Singdrosseln, Buchfinken, die wunderschönen Stare und Gelbspötter als hinreißende Imitiationsmeister, die Lerchen, Blaumeisen, Nachtigallen, Rotkehlchen und andere Wettstreiter, die garantiert die meisten Gesangskonkurrenten menschlicher Herkunft auf hintere bis hinterste Plätze verweisen.
Nicht so die spanische Sopranistin Serena Sáenz, die mit „Birds“ ein atemberaubendes Plattendebüt hinlegt. Wie einstens, als die junge Nathalie Dessay ins internationale Opern-Rampenlicht rückte, scheinen die stupenden vokalen Verzierungskünste, die Triller, die Geläufigkeit und Leichtigkeit in der Projektion von Spitzentönen der lyrischen Koloratursopranistin Sáenz in der musikalischen Welt von heute keine ernsthafte Konkurrenz zu kennen.
Ihr Programm zu musikalischen Ehren der Singvögel ist klug gewählt und enthält außer den virtuosesten Gesangsnummern aus Opern auch lyrische Lieder. Die Komponisten haben bei der Wahl ihrer mit innovativen Gesangsnummern beehrten Lieblinge, den poetischen Vorlagen geschuldet allerdings keine so große Artenvielfalt gepflegt, wie die Natur sie anböte.
Als meistgewählter Superstar unter allen erweist sich die Nachtigall, von der allerdings in freier Wildbahn nur das Männchen durch besondere Virtuosität auffällt. Vielleicht hat diese Wahl nicht nur mit einer metaphorischen Natur-Schönheit, sondern mit den erotischen Geheimnissen der Nacht zu tun, von der der Nachtigallengesang sehnsuchtstrunken kündet. So finden wir die Nachtigall auf sieben von den 14 Nummern des Albums, daneben dürfen aber auch Schwalbe, Lerche und Star tirilieren.
Der Reigen startet mit dem wehmütigen, nachtigalltröstlichen Klagegesang der Rosario „Quejas, al la Maja y el Ruisenor“ aus Enrique Granados Oper „Goyescas“, gefolgt von der populärsten Nummer des Albums, der jubelnden Arie der Puppe Olympia „Les Oiseaux dans la Charmille“ aus „Les Contes d’Hoffmann“ von Jacques Offenbach.
Léo Delibes war einer derjenigen Tonsetzer, der in „Le Rossignol“, flötengeziert mit dem Sopran duettierend, der Nachtigall ein raffiniertes musikalisches Denkmal zu errichten wusste. Auf dem Album hören wir ein Arrangement von Andreas Gies.
Mein persönlicher Favorit des Albums ist ‚Charmant oiseau‘ aus Félicien Davids Oper „La Perle du Brésil“, ein romantisch verführerischer Liebesgesang sanft schnäbelnder Vögelchen, das final ähnlich der Wahnsinnsszene aus „Lucia di Lammermoor“ Flöte und Stimme in einen bezaubernden Dialog treten lässt.
Genau so unverschämt sinnenkitzelnd, koloraturfunkelnd und verzierungslustig erklingt „Villanelle“ der belgischen Koloratursopranistin und Komponistin italienischer Herkunft Eva Dell’Aqua, orchestriert von Fritz Ernaldy, vor der Serena Sáenz in der Vokalise „Le Rossignol et la rose“ von Camille Saint-Saëns zur reinsten Freude gurrt und trillert, dass gar manch Singvogel neidisch werden könnte. Wunderbar, mit welcher walzerseligen Leichtigkeit, mädchenhafter Anmut und tollen Spitzentönen Sáenz ‚O légère hirondelle‘ aus Charles Gounods „Mireille“ in die Lüfte zwitschert.
Mit Franz Grothes ‚Lied der Nachtigall‘ (arr. Walter Borchert) aus dem Film „Die Schwedische Nachtigall“ (1941) und Walter Braunfels ‚Ach, ach, ach! Liebwerte Freunde, gegrüßt‘ aus der spätromantischen Oper „Die Vögel“ ändert sich die Atmosphäre ein wenig hin zu den, gemünzt auf das bisherige Programm, gar nicht so andersartigen Ideen zweier Komponisten des 20. Jahrhunderts. Auch die russischen Tonsetzer Nikolai Rimsky-Korsakov („Die Nachtigall von der Rose versklavt“) und als Geheimtipp Alexander Alyabyev („Solovej“) wussten bestens, wie man – exotischer koloriert – Vogelstimmenimitate vorteilhaft für die weibliche Stimme nutzt.
Weitere moussierende Koloraturperlagen finden sich in Victor Herberts Walzer ‚The Nightingale and the Star‘ aus seiner Operette „Mlle Modiste“ und ‚Lo! Here the Gentle Lark‘ aus Henry Rowley Bishops Oper „The Comedy of Errors“. Den Abschluss des Albums bildet der Hit ‚Rondine al nido‘ des neapolitanischen Komponisten Vincenzo de Crescenzo.
Begleitet wird Serena Sáenz in aller gebührenden instrumentalen Farbenpracht vom Transylvania State Philharmonic Orchestra unter der musikalischen Leitung von Clelia Cafiero. Dem vielbeschäftigten Flötisten Balázs Vincze gebührt ein Extra-Bravo.
Ein himmelhoch jauchzend, bezauberndes Debütalbum mit einer der aufregendsten Koloratursopranistinnen der Jetztzeit. Empfehlung!
Dr. Ingobert Waltenberger