Wolfgang Amadeus MOZART (1756-1791)
Klavier Quartett in g-Moll, K478
Gustav MAHLER (1860-1911)
Klavier Quartett movement in a-Moll
Robert SCHUMANN (1810-1856)
Klavier Quartett in Es-Dur Op. 47
BERLIN PIANO QUARTET:
Christophe Horak (Violine),
Micha Afkham (Viola),
Bruno Delepelaire (Cello),
Kim Barbier (Klavier)
Audio CD
Label: Rca Red Seal (Sony Music)
Wenn es im Musikbetrieb – seien es die Konzertsäle, seien es die CD-Veröffentlichungen – um Raritäten geht, bedarf es immer der besonderen Initiative einzelner Persönlichkeiten. Drei Streicher, die aus den Reihen der Berliner Philharmoniker kommen, haben sich zusammen gefunden: Der Schweizer Christophe Horak (Violine), Micha Afkham, von deutsch-persischen Eltern (Viola), und der Franzose Bruno Delepelaire (Cello). Doch statt das übliche Kammermusik-Repertoire zu bedienen, haben sie 2014 mit der französischen Pianistin Kim Barbier das BERLIN PIANO QUARTET gebildet, mit der gezielten Absicht, ein vergessenes Repertoire wieder zu entdecken, wieder zu gewinnen, wieder ins Bewusstsein zu bringen: das Klavierquartett.
Es gibt gar nicht so viele davon in der Musikgeschichte, es ist ein Stiefkind im Genre der Kammermusik, aber natürlich kann man fündig werden. Das Quartett tat es mit seiner ersten CD, wo man Werke von Brahms, Fauré und Schnittke aufnahm, mit großer Beachtung in der Szene und großem Erfolg. Die zweite CD, die nun heraus gekommen ist, enthält nur große Namen der klassisch-romantischen Musik, aber keinesfalls Werke, die „common knowledge“ sind.
Mozart beispielsweise hat überhaupt nur zwei Klavierquartette geschrieben (drei waren von dem Verleger Franz Anton Hoffmeister bei ihm bestellt, das dritte wurde nicht mehr komponiert) – kaum verständlich, denn das Piano Klavier Quartett in g-Moll, K478 aus dem Jahr 1785 (Mozart war 29) ist ein knapp halbstündiges Stück von musikalischer Reichhaltigkeit.
Schon hier schlagen die Musiker ihren Ton an – sie spielen Mozart fabelhaft lebhaft und akzentuiert, mit dynamischem Klang, weit entfernt von gefälliger Unterhaltungsmusik, zu der Kammermusik des 18. Jahrhunderts durchaus abrutschen kann. Ihre musikalische Stringenz bedeutet nicht, dass sie nicht die verschiedenen Stimmungen des dreisätzigen Stücks ausloten, dem Andante etwa nicht seine Besinnlichkeit geben würden, aber der grundsätzlich wunderbar kräftige Mozart ist ein Hörerlebnis für sich.
Sehr interessant der Sprung zu Mahler (von der Chronologie würde er an letzter Stelle rangieren) – vielleicht um des großen Stimmungsumschwungs wegen. Mahler schrieb das einsätzige Movement für Klavierquarett (das er vielleicht noch weiter zu einem ganzen Werk auszuführen dachte) wohl als Übung im Konservatorium, er war damals, 1876, gerade 16 Jahre alt. Der melancholische Ton, den er anschlägt, wobei das Klavier anfangs als Unterton zu den Streichern fungiert, ist fraglos der Romantik verpflichtet. Nach und nach schwillt die Musik an, zeigen sich die Instrumente wunderbar verschränkt, und das BERLIN PIANO QUARTET beweist wieder, dass es wie aus einem Atem heraus zu agieren vermag.
Robert Schumann hatte 30jährig Clara Wieck geheiratet, und die Zuwendung zur Kammermusik in den folgenden Jahren mag auch auf die pianistischen Qualitäten der Gattin zurück zu führen gewesen sein. Dennoch hat er das Klavier nur einmal mit einem Streich-Trio gepaart, eben in diesem im Oktober / November 1842 entstanden Klavierquartett Es-Dur op. 47. So, wie die vier Musiker es mit äußerster Intensität und ihrer Bereitschaft zu starker Akzentuierung zum Klingen bringen, hört man nicht nur die spürbar vom Komponisten gewollte Virtuosität heraus, die den vier Instrumenten abverlangt wird, nicht nur die Gefühlsdichte, sondern auch abrupte Tempi-Wechsel und eine Chromatik, die in künftige Moderne verweist.
Alles in allem: mehr als ein konventionelles Hörvergnügen, vielmehr ein Aufmerksamkeits-Vergnügen des Hörens.
Renate Wagner