Arnold Schönberg: Pelleas und Melisande Op. 5, Verklärte Nacht Op. 4. Orchestre symphonique de Montréal, Rafael Payare, musikalische Leitung. PTC 5187218
Schönbergs spätromantische Meisterwerke
Rafael Payare und das Orchestre symphonique de Montréal präsentieren eine opulente Hommage.
Zum 150. Geburtstag von Arnold Schönberg hat das Orchestre symphonique de Montréal unter der Leitung von Rafael Payare eine feine Aufnahme seiner zwei wohl bedeutendsten spätromantischen Werke veröffentlicht: „Pelleas und Melisande“ und „Verklärte Nacht“. Diese Kompositionen, die noch tief in der Romantik verwurzelt sind, lassen Schönbergs besondere Fähigkeit erkennen, in orchestraler Pracht emotionale Wucht zu entfalten. Payare und sein Orchester zeigen sich dabei als ideale Interpreten dieser klanglich dichten Werke, deren Ausdrucksstärke durch die feinsinnige Aufnahmetechnik von PENTATONE gut eingefangen wurde.
Arnold Schönbergs sinfonische Dichtung „Pelleas und Melisande“, Op. 5, ist eines seiner bedeutendsten frühromantischen Werke und wurde 1905 uraufgeführt. Basierend auf Maurice Maeterlincks symbolistischem Drama erzählt das Werk die tragische Liebesgeschichte von Pelleas und Melisande, die in einem Netz aus Geheimnissen, Missverständnissen und dunklen Leidenschaften gefangen sind. Schönberg fasst die komplexen emotionalen Konflikte und die unausweichliche Tragik der Figuren in dichte orchestrale Texturen. Die Musik durchläuft einen fortwährenden Wechsel von dramatischen Höhepunkten und fein ausgearbeiteten, oft lyrisch-introspektiven Passagen. Schönberg gestaltet eine spannungsvolle, sinfonische Reise durch die seelischen Abgründe seiner Protagonisten. Mit „Pelleas und Melisande“ entwirft er eine musikalische Welt voller Leidenschaften und seelischer Abgründe. Rafael Payare meistert die Herausforderung dieses gewaltigen Orchesterwerks mit Bravour. Er führt das Orchestre symphonique de Montréal durch eine Interpretation, die sowohl Transparenz als auch emotionale Eindringlichkeit bietet. Besonders bemerkenswert ist der warme und süffige Gesamtklang des Orchesters, der in den dichten Passagen niemals an Klarheit verliert. Holz- und Blechbläser überzeugen mit fabelhafter Präsenz und Präzision, während die Streicher schimmernde, dichte Klangteppiche weben. Wo notwendig, schärft Payare den Ausdruck mit dramatischen Akzenten, ohne jemals die natürliche Flussrichtung der Musik aus den Augen zu verlieren.
Payares theatralischer Instinkt zeigt sich insbesondere in den dichten Spannungs- und Ruhemomenten, die er der Musik Raum lässt, sich organisch zu entfalten. Dabei gelingen ihm großartige Kontraste zwischen orchestralen Ausbrüchen und zartesten Passagen, die durch einen fein abgestimmten Orchesterklang beeindrucken.
„Verklärte Nacht“ Op. 4, ursprünglich 1899 als Streichsextett komponiert, ist eines von Schönbergs frühesten Meisterwerken. Es basiert auf einem Gedicht von Richard Dehmel, in dem ein Paar nachts durch den Wald geht und eine schwierige Beichte zur Versöhnung führt. Die Frau offenbart ihrem Geliebten, dass sie ein Kind von einem anderen Mann erwartet, doch anstatt sie zu verstoßen, nimmt der Mann sie in seiner bedingungslosen Liebe auf. Diese emotionale Wendung formt Schönberg zu einer zutiefst berührenden musikalischen Erzählung. Die Version für Streichorchester von 1943 entfaltet die Musik in einer noch opulenteren Klangfülle, wobei Schönberg eine meisterhafte Balance zwischen Intimität und orchestraler Pracht wahrt. Ursprünglich für Streichsextett geschrieben, entfaltet das Stück in der orchestrierten Version eine schier grenzenlose Fülle an Schattierungen, ohne dabei seine kammermusikalischen Wurzeln zu verlieren. Das Orchestre symphonique de Montréal zeigt in dieser Aufnahme einen überwältigenden Streicherklang: üppig, warm und zugleich samtweich. Payare gelingt es, die seelische Zerrissenheit der Figuren und ihre letztliche Erlösung in einem herrlichen Spannungsbogen zu formen.
Die Klangfarben der Streicher leuchten in allen Facetten, von dunklen, schattenhaften Tönen bis hin zu strahlender Klarheit. Unter Payares Leitung entsteht ein Gefühl der Intimität, das die tiefen emotionalen Schichten des Werks freilegt, ohne dabei in Sentimentalität zu verfallen. Gerade in den lyrischen Momenten zeigt das Orchester eine ergreifende Zartheit, die den Zuhörern unmittelbar anspricht. Erfreulich ist zudem, dass Payare das Werk im ruhigen Tempo gestaltet.
Diese Aufnahme bietet nicht nur einen faszinierenden Einblick in Arnold Schönbergs spätromantische Schaffensphase, sondern zeigt, dass der vermeintlich komplexe Schönberg in diesen Werken emotional zugänglich ist. Rafael Payare und das Orchestre symphonique de Montréal überzeugen mit dieser Veröffentlichung. Die atmosphärische Aufnahmetechnik von PENTATONE trägt dazu bei, die tiefen Schichten dieser Musik eindrucksvoll hörbar zu machen. Sie hüllt die Hörer in einen Klangraum, der in seiner Transparenz und Wärme fasziniert und die Emotionen, die Schönberg in diesen Werken zum Ausdruck bringt, unmittelbar erlebbar macht.
Dirk Schauß, im Oktober 2024
Arnold Schönberg
Pelleas und Melisande Op. 5
Verklärte Nacht Op. 4
Orchestre symphonique de Montréal
Rafael Payare, musikalische Leitung
PTC 5187218