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CD: ARAM KHACHATURIAN: Klavierkonzert in Des-Dur, Op. 38 – JEAN-YVES THIBAUDET und das Los Angeles Philharmonic unter Gustavo Dudamel; DECCA

27.02.2025 | Allgemein, cd

CD ARAM KHACHATURIAN: Klavierkonzert in Des-Dur, Op. 38 – JEAN-YVES THIBAUDET und das Los Angeles Philharmonic unter Gustavo Dudamel; DECCA

Pianistische Akrobatik und genießerische Opulenz

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Die Entstehungsgeschichte des vorliegenden Khachaturian-Albums reicht weit in die Vergangenheit. Über 25 Jahre ist es her, dass der französische Pianist Jean-Yves Thibaudet das Klavierkonzert Op. 38 aus dem Jahr 1936 von Aram Khachaturian für sich entdeckte, es oftmals in Konzerten spielte und zudem mit seiner Plattenfirma Decca ein einschlägiges Aufnahmeprogramm ins Auge fasste. Jedoch: Die Prioritäten änderten sich und vorerst lag alles auf Eis. Erst, als bei einem Zusammentreffen des Pianisten mit Gustavo Dudamel, dem Chef des Los Angeles Philharmonic, dieses Projekt dank der Energie und der Begeisterungsfähigkeit der involvierten Musiker endlich zum Versuch einer Konkretisierung führte, war es soweit. Der Mitschnitt aus zwei Live-Konzerten vom 4. und 5. November 2023 aus der Walt Disney Hall in Los Angeles liegt nun vor.

Seit der fantastischen Aufnahme aus dem Jahr 1946 mit einem meiner absoluten Lieblingspianisten, William Kapell, dem Boston Symphony Orchestra unter der musikalischen Leitung von Sergej Koussevitsky, ist dieses nach wie vor sicherlich nur wenigen bekannte Konzert kaum je aufregender, kontrastreich- virtuoser, more sophisticated und sicherlich nie auf klangtechnisch so hohem Niveau interpretiert worden als nun durch das Duo Thibaudet/Dudamel.

Dabei ging bei der Uraufführung in Moskau 1937 des für Lew Oborin geschriebenen Stückes so ziemlich alles schief, was nur schief gehen konnte. Das Event fand im Freien bei stürmischer Wetterlage statt. Da nur ein vom Volumen her völlig unzureichendes Pianino zur Verfügung stand und dem Dirigenten die Partitur davonflog, kann man sich vorstellen, welchen wenig positiven Eindruck all dies auf das Publikum hinterließ. Schwamm drüber: In den USA feierte das dreisätzige spätromantische Stück dank des Einsatzes von William Kapell eine Zeit lang unglaubliche Erfolge.

Nun gibt es die Gelegenheit, das reich instrumentierte und an opulente Hollywood-Filmmusiken erinnernde Klavierkonzert mit einer singenden Säge im zweiten Satz des vor allem durch das Gladiatoren-Ballett „Spartacus“ bekannt gewordenen sowjetisch-armenischen Tonsetzers in optimaler künstlerischer Qualität kennenzulernen. Bei den beteiligten Partnern hat die Chemie offenbar gestimmt. O-Ton Thibaudet: „Dies ist ein körperlich und technisch anspruchsvolles Konzert. Es ist genau so wuchtig wie ein Konzert von Tchaikovsky oder Rachmaninov mit mächtigen Kadenzen: zwei im ersten Satz, eine riesige im Finale.. echte Bravour.“ Wie wahr! Der Zuhörer versinkt nahezu in den nie die Wohlfühlzone verlassenden Klangwogen wie in einem flauschigen Sofa.

Á propos „Spartacus“: Das Album startet mit dem gefühlvollen, intim flüsternden Adagio von Spartacus und Phrygia aus dem zweiten Akt, dessen sehnsuchtsvolles Hauptthema als ohrwurmige Titelmusik für die britische 70-er Jahre Fernsehserie „Onedin Linie“ vielleicht noch in Erinnerung ist, in einem fast neun minütigen Arrangement für Klavier solo von Jean-Yves Thibaudet. Unmittelbar vor und nach dem Konzert sind der ‚Säbeltanz‘ aus „Gayaneh“ und das ‚Wiegenlied‘ aus ebendiesem Ballett, jeweils in einer Bearbeitung von Oscar Levant für Klavier solo, zu hören.

Als ergänzende Programmpunkte erfreuen die pianistisch einfacheren „Bilder aus der Kindheit“ Nr. 1, 4, 5, 6, 7 und 9 sowie die von Thibaudet transkribierte „Maskerade Suite“, die mit ihren Sätzen Walzer, Nocturne, Mazurka, Romance und Galop die großen Meister der romantischen Klaviermusik des 19. Jahrhunderts heraufbeschwört.

Dass der 1973 zum Helden der sozialistischen Arbeit gekürte Musiker solch plüschig-pathetische Orchesterklänge bzw. bourgeois-elegant salonhafte Musik schreiben durfte, daran können wir uns nun unvoreingenommen und genussvoll delektieren. Jean-Yves Thibaudet, Gustavo Dudamel und dem ausgezeichneten Los Angeles Philharmonic sei Dank. Empfehlung!

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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