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CARTAGENA DE LAS INDIAS (Kolumbien): FESTIVAL INTERNACIONAL DE MUSICA CLASICA

CARTAGENA DE LAS INDIAS (Kolumbien): FESTIVAL INTERNACIONAL DE MUSICA CLASICA

vom 30. Juni bis 4. Juli 2021

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Mit Kolumbien verbindet man ja eher Kokain und Kriminalität als Klassische Musik.Und doch wird für diese Kunstform in diesem südamerikanischen, noch dazu von Bürgerkriegen und sozialen Rebellionen geplagten, Land sehr viel getan.

Zum Beispiel in Cartagena de las Indias an der Karibikküste. Cartegena gilt als die schönste Stadt zumindest Kolumbiens (wenn nicht ganz Lateinamerikas), und sein historisches Zentrum zählt völlig zu Recht zum Unesco-Weltkulturerbe. Es ist über die Massen liebevoll bis ins kleinste Detail renoviert und schlägt den ausländischen Besucher mit seinen einstöckigen, mit kostbaren Holzbalkonen versehenen, vor allem aber in den unwahrscheinlichsten Farben bemalten Kolonialbauten sofort in seinen Bann.

Und in diesem Juwel der Karibik findet seit 15 Jahren eines der intelligentesten und unpopulistischen Festivals der Welt statt: El Festival Internacional de musica clasica de Cartagena.

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Julia Salvi, Gründerin und Sponsorin des Festivals. Foto: Robert Quitta

Zu verdanken ist dies der kolumbischstämmigen Julia Salvi, Witwe des italo-amerikanischen Harfenproduzenten Victor Salvi, die seit der Rückkehr in ihre Heimat nicht müde wird, das Kulturleben, und hier insbesondere das Musikleben, ihres Landes zu fördern.

An ihrer Seite programmiert der in Perugia und Bogotà lebende italienische Musikimpressario Antonio Miscenà das Festival, das sich am ganz amerikanischen Kontinent eines ausgezeichneten Rufs und großer Beliebtheit erfreut.

Dieses Jahr musste es aufgrund der allzubekannten Gründen von Januar auf Anfang Juli verschoben und um die Hälfte gekürzt werden. Aber es fand immerhin statt …!

Das heurige Motto lautete: IL BEL CANTO, und Miscenà hatte sich nichts Geringeres vorgenommen, als einen Querschnitt durch 400 Jahre italienische Operngeschichte zu präsentieren – in 4 Tagen, und zwar in chronologischer Reihenfolge…

Unterstützt wurde er dabei durch den Musikologen, Pianisten, Komponisten und exzellenten Weinkenner Giovanni Bietti, einer Art italienischem Marcel Prawy. Der hielt jeden Morgen um 9h früh eine gut besuchte „Einführungsvorlesung“, in der er auf bewunderungswürdige Weise Schleichpfade durch das Dickicht der Musikgeschichte aufzeigte und Lust auf die nächsten 100 Jahre Opernliteratur zu erwecken versuchte…mit großem Erfolg!

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Das Teatro Heredia war in früheren Zeiten eine Kirche. Foto: Robert Quitta

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Das Innere des Teatro Heredia. Foto: Robert Quitta

Im praktischen Teil gab es täglich zwei Konzerte im wunderschönen alten Teatro Heredia (einer ehemaligen Kirche): ein kammermusikalisches zu Mittag und ein orchestrales am Abend.

Die intelligente, kultivierte und subtile Gestaltung des Festivals lässt sich daran ablesen, dass es der Versuchung widerstand, der Logik der ebenso beliebten wie schrecklichen „Operngalas“ zu folgen, und allseits (auch aus der Werbung) bekannte populistische Hadern (ich sage nur: Nessun dorma) von abgetakelten Diven beiderlei Geschlechts präsentieren zu lassen.

Stattdessen gab es nicht so bekannte Arien aus nicht so bekannten Werken von nicht so bekannten Komponisten – dargeboten von ziemlich jungen, aber auch schon erfahreneren Sänger/innen aus Kolumbien und Italien.

Wir hörten z.B.: Ausschnitte aus Opern von Claudio Monteverdi, Francesco Cavalli, Alessandro Scarlatti, Georg Friedrich Händel, Giovanni Battista Pergolesi, Niccolò Piccini, Christoph Willibald Gluck, Domenico Cimarosa, Gioacchino Rossini, Vincenzo Bellini und Gaetano Donizetti.

Von den Gesangstalenten seien hervorgehoben: Maria Paula Gomez, Elisa Bonazzi, Eliana Piedrahíta, Maria José Ramírez, Juan David Gonzalez, Andrés Silva, Hans Mogollón, Paola Leguizamón, Cristina Melis, Marta Torbidoni, Dario di Vietri, Dario Russo und Devid Cecconi, gut geführt von Sebastian Rolli an der Spitze der Filarmonica Juvenil de Bogotà.

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Abschlusskonzert. Foto: Robert Quitta

Dieser Parforceritt durch 400 (bzw.421, um genau zu sein) Jahre italienischer Opernliteratur war äusserst erhellend. Denn selbst für jemanden, der sich sein Leben lang mit diesem Genre beschäftigt, bot dieser chronologische Zeitraffer viele, viele neue und überraschende Aspekte unserer geliebten Oper: was das Verhältnis von Wort und Musik anlangt, der Entwickung der Stimmen, der Veränderung der Orchestrierung, dem Wandel in Bezug auf Sujets, Protagonisten und Libretti….usw…usf…

Wirklich überraschend und auch verblüffend, dass offenbar noch niemand auf diese doch eigentlich so naheliegende Programmidee gekommen ist…

Beglückt von dieser aussergewöhnlichen tropischen Opernerfahrung freut man sich eigentlich schon auf nächstes Jahr. Denn dann wollen Salvi & Miscenà, wenn alles gut geht (und keine Ypsilon oder Omega-Variante auftritt) ihr nächstes Festival präsentieren, wie in den goldenen Zeiten vor der Pest:  im Januar, über acht Tage und viele Spielorte verteilt. Gewidmet wird es einzig und allein dem genialen Schwan von Pesaro, Gioacchino Rossini (insbesondere auch seinen sakralen Werken) sein. Wir halten die Daumen und sind gespannt !

 

Robert Quitta, Cartagena de las Indias

 

 

 

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