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BURGRUINE AGGSTEIN / Rittersaal: Menottis DIE ALTE JUNGFER UND DER DIEB

Frl. Rebernigg (Ulla Hahn, rechts) erzählt der Nachbarin (Armin Gramer) den neuesten Tratsch. Alle Fotos: Manfred A. Schmid

BURGRUINE AGGSTEIN / Rittersaal: Gian Carlo Menottis Einakter DIE ALTE JUNGFER UND DER DIEB

20. September 2020

Von Manfred A. Schmid

Das Ensemble Kultur.Theater.Musik – OperGanzNah hat es sich zur Aufgabe gemacht „klein besetzte Musiktheaterwerke abseits der großen Opernbühnen in einem intimen Rahmen zur Aufführung zu bringen und somit neue Publikumsschichten an kulturelle Veranstaltungen heranzuführen“. Der Rezensent war von der Aufführung in der Burgruine Aggstein im vergangenen Jahr so angetan, dass er auch diesmal wieder dabei sein wollte. Nachdem im Vorjahr das international besetzte Ensemble mit Nicola Vaccais Oper Julia und Romeo mit Stopps an verschiedenen Aufführungsorten durch Österreich getourt war, ist heuer Menottis Einakter Die alte Jungfer und der Dieb (The Old Maid and the Thief) aus den Jahr 1939 an der Reihe.

Es tut gut, wenigstens einmal im Jahr eine Oper ohne viel Aufwand, was Bühnenbild und Ausstattung betrifft, zu erleben und gewissermaßen „hautnah“ dabei zu sein. Coronabedingte Maßnahmen sind selbstverständlich dennoch penibel einzuhalten. Spannend ist zudem mitzuverfolgen, wie sich das Ensemble den jeweils gegebenen räumlichen Möglichkeiten anpasst. So gibt es etwa im Aggsteiner Rittersaal hinter dem Kamin eine Treppe, die zu einer Empore führt. Dass sie prompt und höchst effizient in den Spielablauf integriert wird, war im Fall der ebenso umsichtigen wie erfahrenen Regisseurin Ulla Pilz wohl zu erwarten. Da Pilz in dieser Produktion auch selbst auf der Bühne steht, nützt sie die Treppe für ihrer Auftritte als tratschsüchtige Nachbarin Fräulein Rebernigg (so heißt in ihrer Bearbeitung nämlich die Mrs. Pinkerton). Ihr jedes Mal aufgeregtes, die Neugier entfachendes „Ham’s schon g‘hört?“ ist ein wirkungsvoller running gag und erfreut mit seinen kleinen Variationen immer wieder aufs Neue.

Die erforderliche Anpassung an andere spezifische Gegebenheiten des Spielorts sind diesmal nicht ganz so geglückt. Die dem Raum entsprechende Lautstärke beim Singen wird leider z.T. stark überschritten. Das betrifft vor allem den Countertenor Armin Gramer in der Titelrolle als alte Jungfer Fräulein Beck (alias Miss Todd). Er agiert – auf Stöckelschuhen daherkommend – perfekt und sorgt mit seinem Gehabe für viele Lacher. Sein Gesang ist aber durchgehend zu laut und strapaziert das Ohr bis hin zur Schmerzhaftigkeit. Schade. Diese Frauenrolle hätte bei entsprechender stimmlicher Moderation besser wirken können.

Im Schatten eines ausgestopften Bärren spielt Nana Masutani bärenstark und ersetzt ein ganzes Orchester.

Gesanglich große Klasse ist die Sopranistin Iza Kopec als Hausgehilfin Laetitia, die am Schluss mit dem Bettler Bob durchbrennt, den das Frl. Beck – in Erwartung erotischer Zweisamkeit – für ein paar Tage in ihr Haus aufgenommen und fälschlich für einen gefürchteten Dieb gehalten hat. Nicht ohne Geld und Wertsachen der übertölpelten Hausherrin mitzunehmen. Aber auch Kopecs Stimme ist diesmal überdimensioniert. Dabei hat die Abstimmung im letzten Jahr, als sie die Julia gesungen hat, so perfekt geklappt.

Ein stimmliches Rätsel bleibt an diesem Opernabend  Johannes Hanel als Bob, für den  das honorige Frl. Beck  ihre Spießigkeit vergisst und sogar Geld der Wohltätigkeitsvereine, denen sie angehört, veruntreut hat. Der ausgebildete Bariton ist diesmal weder Fisch noch Fleisch. Seine Stimme klingt nicht wie die eines Opernsängers, er ist aber auch kein Bariton im Operettenfach und passt gesanglich auch nicht für ein Musical. Was zu vernehmen ist, klingt wie aufgerauter Sprechgesang. Für eine temporäre Indisposition zu ausgeprägt. Alles deutet auf eine stimmliche Krise hin, die der Sänger hoffentlich bald überwinden wird.

Alles passt hingegen bei Ulla Pilz. Gesanglich perfekt und voll ansteckender Spielfreude. So macht sie aus ihrer Nebenrolle ein Kabinettstück erster Güte. Hervorragend auch die Leistung der musikalischen Leiterin des Ensembles, Nana Masutani, die am E-Piano ein ganzes Orchester ersetzt und zudem Mut beweist: Über sie gebeugt ist ein ausgestopfter Bär, der zum Inventar der Rittersaals gehört. Wohl auch deshalb spielt sie an diesem Abend: bärenstark.

 

 

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