Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BUKAREST: TOSCA

23.01.2012 | KRITIKEN, Oper

Bukarest: „TOSCA“ – 21.1.2012

So fantasievoll der „Lohengrin“ inszeniert war, so Verismo-gerecht begegneten wir Puccinis genialem Opernkrimi. Da befinden wir uns doch tatsächlich im 1. Akt in einer Kirche, im 2. in einem Palast und im 3. auf der Engelsburg. Alle Räumlichkeiten sind  zweckdienlich und mit dem nötigen Mobilar und den geforderten Requisiten ausgestattet. Die Handlung spielt tatsächlich im Jahre 1800 in Rom, erkenntlich an den passenden Kostümen. Was Hero Lupescu (Regie), Ion Clapan (Bühnenbilder) und TH. Kiriakoff Suruceanu (Kostüme) da auf die Bühne gebracht haben, ist ein idealer Rahmen für das große Musikdrama, d.h. es ist auch schön anzuschauen und lässt vermuten, dass es ebenso wie die Wiener Wallmann-Produktion Jahrzehnte lang den unterschiedlichsten Sängerpersönlichkeiten als hilfreicher Rahmen dienen kann.

Außer dass in der Bukarester „Tosca“ in St. Andrea della Valle der Kirchenraum durch eine Rückwand mit einer großen Fensterrosette geziert ist, im Palazzo Farnese sich der Folterraum hinten und nicht an der Seite befindet und über der Terrasse des Castel Sant’Angelo ein eindrucksvoller Sternenhimmel zu sehen ist, gleicht die Inszenierung der unseren in allem Wesentlichen.

Wieder waren alle Sänger erstaunlich gut. Ein Ensemblemitglied namens Hector Lopez hätte sollen sein Rollendebut als Cavaradossi haben, musste aber wegen Erkrankung durch den ungarischen Rumänen Attila Kiss Balbinat, der an der Budapester Oper fest engagiert ist, ersetzt werden: ein sympathischer Maler und Liebhaber, ein tapferer Helfer seines Freundes Angelotti und mutiger Gegenspieler Scarpias mit sicherem, kräftigem Tenor. Den Todessturz brauchte er nicht vor Publikum zu absolvieren – der Regisseur lässt den tenoralen Helden dezent hinter der Bühne erschießen. Nichts bleibt hingegen der Primadonna erspart. Silvia Sorina Monteanu durfte/musste alle Prüfungen auf offener Bühne bestehen und am Ende über etliche Stufen zum rückwärtigen Kulissenrand emporklettern, um von der Anhöhe den Todessprung zu tun. Sie scheute sich nicht, alle Emotionen voll auszuspielen, sich sowohl als Diva wie auch als leidenschaftlich liebende und von Scarpia angeekelte Frau zu gebärden und das alles klaglos zu singen, wobei erfreulicherweise in den Extremhöhen die Stimme voll und weich ansprach. Und in „Vissi d’arte“ zeigte sie, was Italianità ist: Ihre großen, schön aufgebauten Legatobögen ernteten nach der Arie prompt den verdienten Sonderapplaus!

Ein Baron Scarpia stand mit Stefan Ignat auf der Bühne, mit weißer Perücke und würdigem baronesken Gewand ein Herr, vor dem man Respekt haben konnte. Seinen Zynismus lebte er stimmlich und verbal aus, ohne dass sein kräftiger dunkler Bariton dabei um seine Klangwirkung kam. Einen Mesner, wie Puccini ihn als kurzen „comic relief“ ins tragisch-leidenschaftliche Geschehen eingebaut hat, stellte Paul Basacopol mit Bubikopf und einer mehrfach zum Einsatz kommenden Flasche im Gepäck auf die Bühne, durch passendes Grimassieren und vokales Kolorieren die Figur perfektionierend. Nur Stefan Schuller sang und spielte den flüchtigen Angelotti so temperamentlos, dass man an seinem Mut zu zweifeln begann. Die Häscher des Scarpia, Valentin Racoveanu (Spoletta) und Daniel Filipescu (Sciarrone) waren hingegen voll auf dem Posten.

Ein überaus engagierter Chor (Leitung: Stelian Olariu), dem man ansah, dass alle Mitglieder die Machenschaften ihres Polizeipräsidenten durchschauten, versammelte sich zu einem „Tedeum“, das dem Zuschauer ebenso wie dem Zuhörer Angst einjagte.

Gut dosiert, ohne das Publikum durch Knalleffekte zu betäuben oder die Sänger unhörbar zu machen, leitete Adrian Morar die Aufführung vom Pult aus und das Orchester spielte konzentriert und klangschön in harmonischem Einvernehmen mit der Bühne.

Mit der italienischen Sprache und Musik ist das rumänische Publikum offensichtlich auf Du und Du. Nach allen Solonummern, aber z.B. auch nach dem Liebesduett, gab es spontanen, aber auch wissenden Beifall von Opernkennern. Das Haus war bei dieser „Tosca“ nahezu voll und die Stimmung am Samstagabend entsprechend lebhafter als beim Wagner-Experiment des Vorabends, das für viele doch noch ein fremdes Terrain darstellt.

 Nur so zum Drüberstreuen seien ein paar (immer noch) aktuelle Sängerinnen und Sänger genannt, die aus dem gar nicht so fernen Rumänien „herüber“ gekommen sind:

Ileana Cotrubas, Nelly Miricioiu, Angela Gheorghiu, Ildiko Raimondi, Elena Mosuc, Ileana Tonca, Anita Hartig, Simina Ivan, Roxana Briban, Ruxandra Donose, Mihaela Ungureanu, Elisabeta Marin, Aura Twarowska, Roxana Constantinescu, Teodora Gheorghiu; Sorin Coliban, Georges Petean, Dan Paul Dumitrescu, Alexandru Moisiuc, Daniel Magdal, Gergely Németi, Cosmin Ifrim, Mariusz Brenciu, Stefan Pop, Teodor Ilincai…

 Die Kette wird noch lange nicht abreißen. Auf jeden Fall ist das italienische Fach mit diesen Stimmen gut bedient. Vielleicht sollten wir nachzählen, ob wir auf ebenso viele beachtenswerte Stimmen aus Italien kommen…

Sieglinde Pfabigan

 

PS: Ergänzungen zu dieser Liste sind gestattet !

 

 

Diese Seite drucken