BUKAREST/Athenäum: Symphonisches und Philharmonisches Orchester „George Enescu“ am 9. Dezember 2021
Foto: Klaus Billand
Als ich auf meinem Besichtigungs-Rundgang durch die Stadt, nach der „Lohengrin“-Premiere am Abend zuvor an der Nationaloper, zum Athenäum kam, entdeckte ich, dass glücklicherweise genau an diesem Abend dort auch ein Konzert stattfinden würde. Und zwar spielte das Orchestra Simfonica A Filarmonicii „George Enescu“ die Erste Symphonie von Carl Maria von Weber, op. 19, und das Violinkonzert op. 64 von Felix Mendelssohn Bartholdy. Unter der musikalischen Leitung von Gabriel Bebeseléa spielte Leticia Moreno die Violine.
Doch bevor ich zum musikalischen Teil komme, möchte ich meiner Bewunderung für den phänomenalen Bau des Roman Atheneum (rum. Ateneul Român) Ausdruck verliehen. Im Zentrum von Bukarest entstand der imposante Bau in nur 16 Monaten von 1886-88 auf den Fundamenten einer Reitschule, der auch die Tatsache zu verdanken ist, dass es sich um einen Rundbau handelt. Das wiederum traf sich gut mit den Anforderungen eines Konferenz- und Konzertsaales. Mit einer Umformulierung des damals gängigen Spruches „I have a ‘leu’ and I want to drink it“ in „I have a ‚leu‘ and I don’t want to drink it, cause I give it to the Atheneum“ konnte die Atheneum Society unter Constantin Esarcu angesichts fehlender Gelder den Bau in seiner vollen Größe und Pracht realisieren. Charles Garnier, der berühmte französische Architekt der alten Oper, des Palais Garnier in Paris, empfahl den ebenfalls französischen Architekten Albert Galeron. Der Einfluss Garniers auf diesen ist durchaus an der Rundkuppel des Gebäudes zu erkennen.
Gleich im Eingangsfoyer ist man überwältigt von einer großen Säulenhalle mit einer monumentalen geflügelten Treppe am Ende aus Carrara-Marmor, vorbei an einer großen Büste des bedeutendsten rumänischen Komponisten George Enescu. Noch interessanter sind aber zwei seitliche schneckenartige Treppen-Aufgänge, die auf halber Höhe das Format eines Balkons annehmen, von dem man auf gigantische Säulen mit korinthischen Kapitelen blickt – wohl nur hier so auf der ganzen Welt so zu sehen. Der gesamte Bau ist durch einen eklektischen neoklassischen Stil gekennzeichnet, mit spezifischen Elementen der französischen Belle Époque zum Ende des 19. Jahrhunderts.
Der große Konzersaal mit seinen 850 Plätzen ist also rund und erinnert gleich an die Royal Albert Hall in London, obwohl diese etwa zehnmal so viele Zuschauer aufnehmen kann. Die Bestuhlung ist dunkelrot gehalten, was bestens mit dem großen und reich mit Gold-Auflagen ziselierten Plafond harmoniert. Um dem gesamten Saal herum zieht sich ein Fries, das „Große Fresko des Athenäums“, des rumänischen Malers Costin Petrescu, 1939 eingeweiht. Das Fesco zeigt 24 Szenen aus der rumänischen Geschichte. Man könnte eine Stunde oder länger davor verbringen, um das interessante Geschehen zu verstehen und zu deuten. Der Saal strahlt eine unglaublich harmonische und künstlerisch-ästhetische Ruhe auf den Besucher aus. Er verleitet so zu Besinnlichkeit und unmittelbarer Konzentration auf die Musikdarbietung vorn auf dem Podium. Und dabei stellt sich auch noch eine exzellente Akustik heraus.
Leticia Moreno. Foto: Klaus Billand
Leider durften an diesem Abend wegen Covid 19 nur 30 Prozent der Plätze vergeben werden, sodass sich nicht die besondere Stimmung eines ausverkauften Konzerts ergab. Umso mehr sorgte die phänomenal spielende junge Leticia Moreno mit ihrer Virtuosität auf der Geige, eine 1762 Nicola Gagliano, beim Violin-Konzert op. 64 von Felix Mendelssohn Bartholdy für Begeisterung im Publikum. Dem Statement auf ihrer Homepage “Recognized als a truly exciting and versatile violinist, Leticia Moreno captivates audiences and critics alike with her natural charisma, virtuosity and deep interpretative force” ist hier eigentlich nichts hinzuzufügen. Genauso hat sie dieses wunderbare Konzert in großer Harmonie mit dem Orchester gespielt. Als Spanierin mit peruanischen Wurzeln hat sie starke Beziehungen nach Lateinamerika und spielt immer wieder auch in Peru. Sie hat bereits viele internationale Wettbewerbe und Preise gewonnen. Schon im 1. Satz „Allegro molto appassionato“ konnte man sofort Morenos südländisches, um nicht zu sagen lateinamerikanisches Temperament vernehmen. Mit der Geige wie verwachsen musizierte sie nicht nur diesen, sondern auch das „Andante“ des 2. Satzes sowie den abschließenden 3. Satz mit seinem „Allegretto non troppo – Allegro molto vivace“ mit unglaublicher Hingabe, schlafwandlerischer Sicherheit am Instrument und großer musikalischer Ausdruckskraft. Gabriel Bebeseléa unterstützte sie dabei mit dem Orchester auf kongeniale Weise.
Gleich darauf erklang unter Bebeseléa die Erste Symphonie von Carl Maria von Weber, op. 19. Das Orchester konnte hier sein hohes Niveau in der Interpretation der klassischen Romantik dokumentieren. Der Dirigent gab relativ schnelle Tempi vor, sodass eine hohes Maß an Dynamik entstand und er über die viersätzige Symphonie einen dramaturgischen Bogen spannte. Besonders beeindruckten die Holz- und Blechbläser in ihrer Klarheit und Transparenz, aber auch die Dichte der Streicher. Effektvoll wurden die dramatischeren Momente herausgearbeitet. Das beste des Abends war aber Leticia Moreno! Und das Athenäum…
Klaus Billand
Der Saal vor dem Konzert. Foto: Klaus Billand