Kurzbericht von der Premiere des „Tannhäuser“ bei den Wagner-Tagen im Musikpalast (MÜPA) Budapest – 3. Juni 2012. Ein Mann zwischen zwei starken Frauen. (3.6.2012)
Robert Dean Smith in der Titelrolle. Foto: Szilvia Csibi
Zu Beginn der Budapester Wagner-Tage 2012 im immer noch recht neuen, imposanten Palast der Künste am Ufer der Donau unterhalb des alten Stadtzentrums inszenierte der deutsche Opernregisseur Matthias Oldag Wagners „Tannhäuser“ und blieb zumindest dem zahlreich erschienen Publikum nichts schuldig. Oldag war bis vor kurzem Generalintendant der Theater & Philharmonie Thüringen in Gera/Altenburg und machte sich mit der „Ausgrabung“ selten gespielter Werke vor allem der jüngeren Opernliteratur einen Namen. Seine somit große Erfahrung im unkonventionellen und von traditionellen Inszenierungsstilen unbelastetes Herangehen an neue und alte Opernstoffe wurde auch in Budapest deutlich, begünstigt durch die Bedingungen der Aufführungsstätte: Der von Architekt Gábor Zoboki konzipierte MÜPA ist ein großer Konzertsaal mit exzellenter Akustik, eignet sich aber auch für szenische Operninszenierungen. Das hat bereits der „Ring“ gezeigt, der wie auch der „Tannhäuser“ mit wenigen Requisiten auskommen muss.
Aus einer nicht wirklichen Not machten Oldag und sein Bühnen- und Kostümbildner Thomas Gruber jedoch eine Tugend. Sie zeigen die Hin- und Hergerissenheit Tannhäusers zwischen zwei starken Frauen in einfachen, aber aussagekräftigen Bildern, welche auf die menschlichen Konflikte der Protagonisten fokussieren, mit wohl dosiertem Einsatz von Videos und einer exzellenten Lichtregie. Dieser „Tannhäuser“ wird nicht nur zum finalen Drama für den Ruhelosen und Elisabeth, sondern auch für Venus, die dramaturgisch weitaus geschickter als bei Sebastian Baumgarten in Bayreuth auch im 2. Akt unter der Wartburg-Gesellschaft erscheint, als roter Kontrastpunkt zum allgemeinen Schwarz und Grau und unterschwellige, da nur von Tannhäuser wahrgenommene Bedrohung. Im Finale der auch hier gespielten Zweiten Pariser Fassung bricht auch sie an der Chancenlosigkeit einer wohl großen Liebe zusammen.
Der charismatische und in der Mittellage überzeugende, aber bei den Höhen schwächelnde Robert Dean Smith bemüht sich als Tannhäuser im energiegeladenen Spannungsfeld zweier starker Frauen um eine Lösung seines Konflikts. Er meistert das zum Scheitern verurteilte Unterfangen darstellerisch beeindruckend. Tünde Szabóki, seit 2000 Stimmbildnerin im Domchor St. Stephan in Wien, überrascht mit einem höhensicheren kräftigen und hell timbrierten Sopran und perfekter Diktion. Die russische Mezzosopranistin Elena Zhidkova, dem Rezensenten bereits im Essener Neuenfels-„Tannhäuser“ sowie als hervorragende Kundry im März in Lyon aufgefallen, singt die Venus kraftvoll und total höhensicher mit ihrem ausdrucksstarken Mezzo-Timbre, gepaart mit großer Bühnenpräsenz und einer auch aufgrund ihrer Attraktivität beeindruckenden Laszivität. Lauri Vasar singt trotz einer Ansage den Wolfram klangvoll und mit viel Empathie, offenbar ein neues junges Talent aus Estland. Der ebenfalls junge Gábor Bretz verleiht dem Landgrafen seine Stimme, die über beachtliches Volumen verfügt, aber an der er technisch noch arbeiten sollte. Tibor Szappanos empfiehlt sich als Walther mit einem wohl timbrierten Tenor für das Mozart-Fach.
Adam Fischer, der nach seiner Bayreuther Zeit das künstlerische Konzept der Budapester Wagner-Tage begründete und ihr ständiger Dirigent ist, erzielt mit dem Sinfonieorchester und Chor des Ungarischen Rundfunks sowie dem kraftvoll und mit betörenden Piani singenden, sowie bestens choreografierten Chor der Ungarischen Staatsoper (Leitung Máté Szabó Sipos) einen wunderbaren Wagnerklang im auf die besonderen Bedingungen des „Tannhäuser“ angepassten Bela Bartok Konzertsaal, der über eine veränderbare Raumakustik verfügt. Zeitweise schien der Klang gewissermaßen zu schweben, und man meinte, im Bayreuther Festspielhaus zu sitzen… So gut hat der Rezensent Wagner im MÜPA noch nie gehört.
Mit dieser Produktion und musikalischen Leistung hatten die Budapester Wagner-Tage einen exzellenten Start in das Festival 2012.
(Fotos vom 1. Akt und dem starken Schlussapplaus in der Bildergalerie).
Siehe auch: http://www.redaktion.0catch.com/prospect/prospect0110/s14b17_PalastBudapest.pdf
Klaus Billand aus Budapest