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BUDAPEST: DER FLIEGENDE HOLLÄNDER. Neuinszenierung

26.01.2013 | KRITIKEN, Oper

Budapest Staatsoper DER FLIEGENDE HOLLÄNDER (Premiere 19.1.2013, besuchte Vorstellung 25.1.2013) –


Copyright: Pál Csillag

Der Fliegende Holländer, ungarisch A bolgygó hollandi, wurde erstmals am 10. Mai 1873 im Nemzeti Színház (Nationalteater) in Budapest aufgeführt. Aus dem Programmheft kann man entnehmen, dass bis 1997 13 weitere Neuinszenierungen, allesamt in ungarischer Sprache gesungen, folgten. Die nunmehrige, 15. Inszenierung, ist die erste in deutscher Sprache. Gespielt wird übrigens die Originalversion aus dem Jahr 1841!

Freilich war Wagner nicht der einzige, der einen Fliegenden Holländer komponierte. In Paris musste er aus Geldnot den Entwurf an die Pariser Oper verkaufen und der skandalumwitterte Dirigent und Komponist Pierre-Louis-Philippe Dietsch (1808-65) schuf dann daraus nach einem Libretto von Paul Foucher (1810-75) und Bénédict-Henry Révoil (1816-82) „seinen Holländer“ unter dem Titel „Le vaisseau fantôme, ou Le maudit des mers“.

Für die Titelpartie konnte der Erl-erprobte Bariton Thomas Gazheli gewonnen werden. Mit ihm stand ein äußerst dämonischer Interpret dieser Rolle auf der Bühne, der je nach Situation die Färbung seiner Stimme stark an den Text anpasste, sodass sie manchmal dunkel, dann wieder messerscharf und hell erklang. Und manchmal hörte sie sich auch unheimlich und krächzend an, wenn es die Situation erforderte. Damit unterstrich der Sänger auch die jeweilige Gemütsverfassung des Untoten, der sich nach Erlösung verzehrt. Sein bodenlangr, weiter roter Mantel unterstreicht auch den diabolischen Charakterzug im Wesen des Holländers. Und Senta trägt zunächst auch einen bodenlangen blauen Mantel, den sie bei der Begegnung mit dem Holländer abwirft, sodass ein äußerlich identer Mantel zum Vorschein kommt.

Gyöngyi (Georgina) Lukács, an den großen Bühnen der Welt zu Hause, besitzt eine ideale Stimme für Verdi, Puccini, Giordano und Schostakowitsch. Nun hat sie sich ins Wagnerfach vorgewagt und sich die Senate angeeignet. Allerdings sollte es bei diesem „Ausflug“ auch bleiben. Die Sängerin verfügt natürlich über die erforderliche Höhe (auch beim Finalton) und auch ihre Aussprache lässt keinerlei Abstriche zu, aber man merkt dennoch, dass sie sich im deutschen Fach nicht wohl fühlt und das dieses auch nicht zu ihrer Stimmfärbung passt. Aber gönnen wir ihr diesen Ausflug, so viele andere Sängerinnen vor ihr hatten sich auch in Partien versucht, die für ihre Simme nicht geeignet waren. Auffallend war bei ihr an diesem Abend eine äußerst nervöse, unruhige, fallweise auch flackernde Stimmführung. Und so blieb von diesem Abend als Resümee in erster Linie ihre glutvolle Darstellung der Senta in Erinnerung.

Budapest ist aber immer wieder gut für eine Überraschung. Attila Fekete, der im italienischen Fach mit dem Manrico und dem Herzog von Mantua hörbar an seine Grenzen gestoßen war, überzeugte umso mehr als Erik. Sein heller, eher lyrischer Tenor entfaltete sich in dieser Partie prächtig. In früheren Jahren trat er immer wieder als Froh im Rheingold auf, nun hat er sich eine zweite Partie im deutschen Fach angeeignet und man darf gespannt sein, ob er diesen Wechsel ins deutsche Fach weiter beschreiten wird?

Die Mary wurde von der bewährten ungarischen Altistin, die immer wieder Ausflüge ins Mezzofach unternimmt, Annamária Kovács, in blonder Perücke à la Marilyn Monroe, mit ihrer unverwechselbaren dunklen Stimmfärbung (eine ungarische Zarah Leander) wieder einmal hervorragend dargeboten. Es verwundert wirklich, warum diese Sängerin noch nie der Ruf als Erda, eine ihrer Paraderollen, an die Wiener Staatsoper eingeholt hat?

András Palerdi ergänzte mit sicherer Stimmführung als behäbiger Kapitän Daland, der seine Tochter Senta für die Schätze des reichen Holländers leichten Herzens eintauscht. Was für ein „Vorbild“ an väterlicher Liebe!

Ein stimmlicher Wermutstropfen war der Steuermann von István Horváth. In Budapest ist es nicht üblich, Sänger auf Grund einer Erkältung zu entschuldigen. Für den Rezensenten hörte sich die Stimme aber so an, als ob der Sänger stark verkühlt sei, anders kann man die krächzende Höhe bei einem sonst verlässlichen Sänger an diesem Abend wohl nicht erklären.


Copyright: Pál Csillag

Der erfahrene Wagnerdirigent János Kovács am Pult des Orchesters der Ungarischen Staatsoper sorgte für eine umsichtige Interpretation, indem er den rein formalen Charakter des Holländers als Nummernoper bestehend aus Arien, Balladen, Chören, Duetten und Rezitativen, mit äußerster Präzision gestaltete. Nach dem Willen Wagners sollte die Oper, ihres Balladencharakters willen, ohne Pause gespielt werden. Diesem Credo Wagners fühlte sich auch Maestro Kovács verpflichtet.

Dem von Máté Szabó Sipos bestens einstudierten Chor wurde durch den Choreographen Csaba Horváth auch diffizile tänzerische Aufgaben auferlegt.

Éva Szendrényi schuf ein abwechslungsreiches Bühnenbild, in dessen Hintergrund immer wieder das Geisterschiff des Holländers mit seinem schwarzen Mast und den blutroten Segeln als Projektion erschien, das zum Finale in lichterlohen Flammen versinkt. Zu Beginn der Oper deuten dann drei Taue, die von den norwegischen Matrosen gezogen werden, Dalands Schiff an. Senta sitzt dann im zweiten Alt wie zufällig zur Linken vor einem Webstuhl. Unsere Monroe-Mary mit Minirock und blonder Perücke ihr gegenüber zur Rechten.

Krisztina Berzsenyi verpasste dem Männerchor der Matrosen noch zusätzlich ein Frauenfoto aufs T-Shirt, Ausdruck wohl der Sehnsüchte Frauenentwöhnter Matrosen während ihrer langen Seefahrt. Ebenso platt wirken dann auch die Mädchen in der Spinnstube in ihren wenig ansehnlichen Kitteln, auf deren Rücken dann Aufdrucke wie etwa I love Ken, I love Chocolate, I love Candy mit dem Love-Logo erscheinen, die ebenfalls als offen zur Schau gestellte Sehnsüchte interpretiert werden kann.

Interessanter wirkten da die Segel an der Seite der Bühne, die sich in stürmischen Momenten aufblähten, sowie die Choreographie der Spinnstube, wo die Mädchen mit überlangen Nadeln tanzen, wobei solche Nadeln zugleich den Bühnenraum in dieser Szene begrenzen.

Detailverliebt ist auch die Inszenierung von János Szikora, der sich nach dem Abgang von Balázs Koválik nun verpflichtet fühlte, das etwas verstaubte Repertoire der Ungarischen Staatsoper durch eine ansprechende, moderne Inszenierung zeitgemäßer erscheinen zu lassen. Freilich tat er des Guten manchmal zu viel, etwa, wenn er an der Stelle „Steuermann! Laß die Wacht!“  den Männerchor mit weißen Stiefeln und den Frauenchor mit weißen Perücken auftreten lässt, um so dem Publikum Effekte des Schwarzen Theaters vorzuführen. Das wirkt dann auch etwas komisch und nicht begründet. Gelungen ist aber dann wieder der Auftritt der Mannschaft des Holländers, die aus der Bühnentiefe nach oben fährt, in blutroter Gewandung mit riesigen Schädeln, bei deren Anblick die norwegischen Matrosen Reißaus nehmen. Und der Regisseur liebt natürlich ein Happy End und so gehen Senta und der Holländer am Ende Hand in Hand nach dem Bühnenhintergrund.

Im Großen und Ganzen ist dieser Holländer im wahrsten Sinne des Wortes sehenswert, denn es herrscht kein Stillstand, ständig bewegt sich etwas auf der Bühne. Für diese Inszenierung stehen zurzeit zwei Besetzungen zur Verfügung. Beide können mit internationalen Gästen aufwarten, so gibt etwa der US-amerikanische Tenor Corey Bix in der alternativen Besetzung den Erik. Ihm zur Seite die ungarischen Hauskräfte Gábor Bretz als Daland, Szilvia Rálik mit Richard Strauss und Wagner-Erfahrung ausgestattet die Senta, Éva Balatoni die Mary und Gergely Boncsér den Steuermann und Mihaily Kálmándi den Holländer. Gezeigt wird diese Produktion in der laufen Saison noch am 2. Februar. Hinfahren und Ansehen, die Aufführung wurde vom Publikum heftig akklamiert!

   Harald Lacina

 

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