BRYONY DWYER
„Ich bin die Prinzessin des Hauses“
Bryony Dwyer ist eine jener jungen Sängerinnen, die von Australien nach Wien kamen und die man an der Staatsoper liebevoll „die Kängurus“ nennt. Sie durfte als Aschenbrödel (in der Kinderoper „Cinderella“ von Alma Deutscher) den Prinzen heiraten. Und nun wird sie in der Kinderoper „Persinette“ – eine Uraufführung von Albin Fries – wieder Prinzessin. Einziger Wermutstropfen für die junge Sängerin rund um diese Premiere: Dass sie nächste Spielzeit nicht mehr dem Ensemble des Hauses angehören wird
Mit Bryony Dwyer sprach Renate Wagner
Frau Dwyer, es gibt für Sie einen Überhang an Prinzessinnen in der Wiener Staatsoper. Haben Sie als Kind Märchen gelesen?
Ja natürlich, und wie! Ich habe zuhause in Tasmanien jedes Buch gelesen, das mir in die Hände fiel, natürlich auch die Märchen der Brüder Grimm auf Englisch. Ich habe damals natürlich auch die Disney-Filme gesehen – aber die Lektüre war mir immer lieber.
Wir führen unser Gespräch hinten bei den Garderoben der Wiener Staatsoper, die Damen warten darauf, Ihnen als „Rapunzel“ eine goldene Perücke anzupassen…
Ja, das wird wunderschön, auch meine Kostüme sind herrlich und die Ausstattung ist, wie sage ich es am besten, „adorable“, anbetungswürdig, ein richtiges Märchen mit viel Magie.
Wie anspruchsvoll ist die Rolle der Persinette?
Doch sehr. Ich fürchte immer, wenn die Menschen hören, es sei eine „Kinderoper“, stellen sie sich vor, es wäre eine einfache Sache. Aber die Musik ist anspruchsvoll, sehr romantisch, tonal, schön zu singen, ich habe ein tolles Duett mit dem Prinzen, aber man hat auch ein großes Orchester vor sich, das heißt, man muss seine „big girl pants“ anziehen, also volle Kraft investieren. Für mich ist schön, dass es wirklich eine lyrische Partie ist – denn eigentlich bin ich einst als Soubrette angetreten, und darüber wachse ich jetzt hinaus.
Sie stammen aus Tasmanien, der Insel, die noch südlicher liegt als Australien, wozu sie gehört – also noch einmal „Down Down Under“, aus europäischer Sicht am Ende der Welt. Wie kommt es, dass man dort den Wunsch hat, Opernsängerin zu werden?
Das kam über Umwege, über Großeltern, die Musik geliebt haben, und ich spielte ab meinem neunten Lebensjahr Klarinette. Meine erste Oper, „La Boheme“, habe ich gehört, als ich ungefähr 14 war – in Hobart, der Hauptstadt von Tasmanien, gibt es das älteste Theater von Australien, und dort hat man eine „reduzierte“ Form dieser Oper (ohne Kinderchor und dergleichen) gespielt. Ich war dann zehn Jahre beim Militär, bei der Navy, und habe dort als „Matrosin“ in der Navy Band Klarinette und Saxophon gespielt, das war eine andere Welt der Musik. Nebenbei habe ich in Sydney am Konservatorium studiert, und dort war Barry Ryan OAM mein Lehrer. Er ist ein in Australien sehr bekannter Bariton und hat auch viel in Europa gesungen. Er meinte, ich hätte die Stimme einer Soubrette, ich sollte Despina, Susanna studieren und nach Europa gehen. Nun gibt es in Australien einen Wettbewerb, Opera Foundation Australia, deren Sieger für vier Monate an die Wiener Staatsoper geschickt werden, wo man einfach „lernen“ darf. Vor mir kam meine Kollegin Caroline Wenborne mit diesem Programm nach Wien, nach mir war es Margaret Plummer, und wir durften alle bleiben. Tatsächlich hat mir Dominique Meyer schon nach drei Wochen ein Vertragsangebot gemacht, so kam ich 2013 fix an die Staatsoper. Und wissen Sie, wie man uns Australierinnen hier nennt? Wir sind die „Kängurus“ am Haus!
Musetta / Foto: Michael Pöhn
Nun haben Sie in Wien aber – mit Ausnahme der Papagena und der Musetta, die Sie heuer im September erstmals gesungen haben – noch keine wirklich großen Rollen bekommen?
Das stimmt, und das macht gar nichts. Denn in den kleinen Rollen steht man mit großen Sängern auf der Bühne und lernt ungemein viel. Was glauben Sie, was es bedeutet, wenn man in „Adriana Lecouvreur“ Frau Gheorghiu oder Frau Netrebko aus der Nähe zusehen darf?
Sie sind aber auch immer wieder weg gegangen?
Ja, und dafür bin ich Direktor Meyer sehr dankbar, dass er mir das ermöglicht hat. Dass ich mit der Wiener Staatsoper im Rücken an nicht so große Häuser gehen und größere Partien singen konnte, hat mich sehr viel weiter gebracht. Ich war für einige Produktionen – darunter so Verschiedenes wie die Morgana in Händels „Alcina“ oder die Julie in dem „Carousel“-Musical – in Basel, ich habe die Micaela in Wuppertal gesungen, die Servilia in „La Clemenza di Tito“ und auch die Musetta in Klagenfurt. Und besonders interessant war dort auch die „Koma“-Oper von Georg Haas, die dann auch nach Dijon übernommen wurde. Und ich konnte immer wieder an die Staatsoper zurückkehren.
Cinderalla / Foto: Michael Pöhn
Wo es besonders viele Kinderopern für Sie gab?
Ja, „Undine“ noch im Zelt am Dach des Hauses, bevor man in die Walfischgasse umzog, die „Feen“, der „Nibelungenring für Kinder“ und als Höhepunkt die „Cinderella“ von Alma Deutscher, wo ich die Premiere singen dufte.
Und weil Sie auch kleine Rollen bei Strauss und Wagner gesungen haben, kennen Sie Albin Fries?
Ja, weil er unter seinem bürgerlichen Namen ja einer der wichtigen Korrepetitoren des Hauses ist, der Waldvogel im „Nibelungenring für Kinder“ ist da in seine Kompetenz gefallen, und jetzt haben wir mit ihm die Rollen für „Persinette“ einstudiert. Gerade weil meine Stimme größer geworden ist, bin ich über diese Aufgabe froh – und unser Dirigent, Guillermo García Calvo, der ja auch lange Solokorrepetitor am Haus war, wird uns mit dem großen Orchester schon nicht zudecken…
Und nun die Frage, die man mittlerweile jedem Ensemblemitglied stellt: Werden Sie in der nächsten Direktion noch an der Wiener Staatsoper sein?
Nein, die Herren, darunter auch Bogdan Roscic, haben sich Zeit für eine Arbeitsprobe mit mir genommen, ich habe ihnen dies und jenes vorgesungen, und dann ist die Entscheidung gefallen, dass mein Vertrag nicht verlängert wird. Natürlich ist das schade, aber das gehört zu dem Beruf, solche Entscheidungen muss man akzeptieren. Ich freue mich auf jedenfalls noch auf meine Aufgaben in der zweiten Hälfte der Saison. Und es warten glücklicherweise in der nächsten Spielzeit tolle Herausforderungen, so werde ich mein Hausdebüt an der Vlaamse Opera geben, außerdem steht im Frühjahr 2021 mein Rollendebut als Gilda an, ich darf allerdings noch nicht verraten, wo. Und vielleicht gibt sich ja in der Zukunft wieder einmal die Gelegenheit, in meiner „europäischen Heimat“ Wien zu singen?
Dann können wir Ihnen nur zuerst für Ihre „Persinette“ und dann für Ihre weitere Zukunft alles Gute wünschen! Danke für das Gespräch.