Brno: „PERIKOLA“ = „LA PÉRICHOLE“ Pr: 6. 1.2012
Jana Wallingerova, Ondrej Koplik. Foto: Jana Hallova
Jaques Offenbach bedeutet für den normalen Opernbesucher „Hoffmanns Erzählungen“, dass er zahlreiche weitere Werke schuf, dringt kaum ins Bewusstsein. Wird dennoch eines davon irgendwo aufgeführt, wird es meistens stark „ver-bearbeitet“.
Ein spezielles Operetten-Problem bei vielen langen Prosa-Stellen: vor einigen Tagen bei der „Fledermaus“ an der Staatsoper mit zahlreichen anders sprachigen Besuchern, dachte ich: wie sollen die den Wortwitz, noch dazu im Dialekt, verstehen. Das Auditorium lacht immer wieder und man weiß nicht warum. So erging es mir diesmal in Brünn, wo Operetten auf Tschechisch gespielt werden. Das Publikum lacht immer wieder und selber steht man daneben.
Die Handlung: Don Andrés, der Vizekönig von Peru, ist ein Schürzenjäger. Er schickt 2 Freunde aus um nach geeigneter Beute zu suchen. Sie finden in einer Taverne die hübsche Straßensängerin Périchole. Sie hat zwar einen besonderen Freud in Piquillo, ebenfalls ein Straßensänger, aber die Verlockungen eines Lebens bei Hof sind stärker. Da dort aber nur verheiratete Damen erscheinen dürfen, sucht man nach einem Kandidaten für eine Scheinehe (auch in Versailles war es so) und findet Piquillo, der sich aus Kummer angetrunken hat und willigt ein. Am nächsten Tag nüchtern, fordert er seine rechte als Ehemann und wird dafür eingekerkert. Don Andrés verkleidet sich als Gefängniswärter um sich an den Eingesperrten zu erfreuen, aber ein Aufruhr das Volkes nötigt den Vizekönig alle Gefangenen freizulassen. Der Regisseur lässt das Finale offen, es scheint Périchole zieht den Luxus bei Hofe dem armen Piquillo vor.
Tomáš Studený (von ihm stammt der noch immer erfolgreiche „Lo speziale“ von Haydn) schuf eine schwung- und temporeiche Regie, woberi die Akteure gut profiliert werden. Das Finale endet im einem großen „Show-down“ mit den Solisten, dem Volk, den Hofleuten, Tänzern, samt Aufmarsch der Bühenmusik, dazu noch ein Feuerwerk. Die Bühne/Eva Jirikovská entwarf eine Bühne mit verschiebbaren, abstrakten Elementen und den Buchstaben Perikola in verschiedener Größe. So entstanden immer wieder neue Bühnenräume. Die hübschen, historisierenden, aber keiner Zeit direkt zuordenbaren Kostüme schuf Kateřrina Kerndlová. Ganz kůstlich war das Gefängnisballett der Eingestperrten von Hana Košiková, es rief große Begeisterung des Publikums hervor.
Der Chef Caspar Richter dirigierte mit großem Schwung und engagiert und ließ den Zauber Offenbach’scher Einfälle erklingen. Der Komponist selber hatte ja viele Einfälle an sehr einprägsamen Melodien. Wie immer, war der Chor/Josef Pančik ganz vorzüglich.
Jana Wallingerová besitzt einen schönen, ebenmäßigen Mezzo und bewährt sich seit einigen Jahren in Hauptrollen. So auch diesmal, auch weil ihr Timbre Farbe und Wärme hat. Sie kann auch den Wandel des einfachen Mädchens zu einer Dame bei Hof deutlich ausspielen. Mit einer hellen, hübschen, lyrischen Tenorstimme begabt, dazu mit reiner, klarer Tongebung, kann der Piquillo des Ondřej Koplik aufwarten. Man bedauert ihn, wenn sich Périchole dem Vizekönig zuwendet und ihn abseits stehen lässt. So verlassen, tut er einem leid. Dagegen hat Jan Stáva als Vizekönig das Gebaren eines Potentaten. Zum ersten Auftritt ist er übrigens als Indianer-Häuptling kostümiert. Auch in seiner guten, ausdrucksvollen Stimme hat er den Ausdruck eines Herrschers.
Die Zusammenstellung des weiteren Personals glückte gut: 2 Herren vom Hof Zoltán Korda, Petr Cisař; Freundinnen der Périchole Tereza Merklová, Lucie Kašparková, Václava Krejč, Martina Králiková dazu 4 Damen vom Hof. 2 Notare, ein alter Gefangener.
Zum Abschluss war das Publikum von der Novität (auch für mich war es eine) richtig begeistert und klatschte im Takt der Musik, die wiederholt wurde. Dirigent, Solisten, die Tänzer des Gefängnisballetts und alle übrigen Mitwirkenden wurden bedankt.
Wenn nicht die Barriere der Prosa-Sprache wäre, könnte man die Sache sehr empfehlen.
Martin Robert BOTZ
Die Schließung der Brünner Oper wegen „Rekonstruktion“ ist abgewendet, aus Geldmangel. Nur allgemeines Sparen wurde verordnet. Da der bisherige, erfolgreiche Operndirektor Rocc ab September nach Prag berufen wurde(Hauptaufgabe die Vereinigung des Nationaltheaters und der Staatsoper zu einer Institution) war eine Neubesetzung des Postens in Brünn nötig. Zum ersten Mal wurde es eine Frau, Prof. Eva Blahová, ehemals Mezzosopranistin. Sie studierte einst auch in Wien und spricht ausgezeichnet deutsch. Sie unterrichtet u. a. auch in Wien –Wiener Musikseminar- und bekam erst kürzlich vom Bundespräsidenten Fischer den entsprechenden Orden verliehen. Nun ist sie beim Erstellen der nächsten Saison.