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BRIEFE FELIX MOTTL / GRÄFIN THUN-SALM

11.04.2016 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

BuchCover  Felix Mottl Gräfin  Thun

Philipp Toman
„MEIN ORCHESTER HABE ICH SCHON NERVÖS GEMACHT“
Die Briefe des Dirigenten Felix Mottl an die Gräfin Christiane Thun-Salm
628 Seiten, Verlag Dr. Kovac, 2016

Der Dirigent Felix Mottl (1856–1911) ist zumindest noch all jenen Musikfreunden bekannt, die sich irgendwann mit Werk und Wirken von Richard Wagner beschäftigt haben, denn er galt als großer Interpret von dessen Werken. Die Gräfin Christiane Thun-Salm (1859-1935) ist hingegen der Vergessenheit anheim gefallen, wenn auch einst ihre Lustspielchen am Burgtheater aufgeführt wurden. Nun lernt man sie als Briefpartnerin von Felix Mottl kennen, dem sie, eine kultur-betriebsame Dame der Gesellschaft, 1901 in Bayreuth erstmals begegnet war.

Philipp Toman hat diesen Briefwechsel aus dem Bestand der Österreichischen Nationalbibliothek nun im Rahmen seiner Dissertation bearbeitet. Die Buchausgabe reichert die Briefe (es sind faktisch nur jene des Dirigenten, die der Partnerin sind nicht erhalten geblieben) nicht nur mit jeder Menge biographischem Material über die beiden an. Theaterzettel und Kritiken, flankierend zum Text eingeordnet, machen auch die Zeit lebendig, lange Verzeichnisse (ob der Werke der Gräfin, ob des Dirigentenrepertoire von Mottl) ergänzen, so dass das Buch über 600 Seiten umfasst. Ein Werk des Fleißes und der Gewissenhaftigkeit.

Doch bei allen Zusatzinformationen: Die über 300 Briefe, die Mottl zwischen 1901, als er in Karlsruhe engagiert war, und seinem Tod 1911 schrieb, bleiben der interessanteste Teil des Werks. Denn sie kreisten – und das ist natürlich für die Wiener Theatergeschichte hoch interessant – vor allem um den Wunsch des Wiener Dirigenten, in Wien Hofoperndirektor zu werden. Bloß war dieser Posten von Gustav Mahler besetzt, der seinerseits viele Feinde hatte – teils natürlich die Antisemiten, teils all jene, die sich in der Oper von ihm zu stark gefordert fanden („Er bringt die Philharmoniker um!“), die mit seinem strikten Arbeitspensum, seiner gnadenlosen Genauigkeit nichts anfangen konnten… kurz, auch Mahler ertrank, wie alle anderen Operndirektoren vor und nach ihm, in einem wahren Sumpf der Wiener Intrigen.

Und Mottls Briefe, die den Schreiber natürlich nicht sehr sympathisch machen, sind hier ein wichtiger Beitrag, wenn auch nicht alle seiner Bemerkungen so gnadenlos direkt sind wie „Bitte schlagen Sie den Mahler todt u. berufen mich an seine Stelle!“

Nun kannte die Gräfin, der sich Mottl mit geradezu peinlicher Unterwürfigkeit näherte (das war allerdings die Haltung, die man dem Adel damals noch entgegenbrachte), Gott und die Welt, und sie war auch bereit, sich in höchsten Kreisen für Mottl, den seine Stellung in Karlsruhe anödete, einzusetzen. So penetrant nachhaltig (ein Brief von ihr, worin sie die Freude ausdrückte, dass Mahler bald fallen werde, machte die Runde), dass man ihr wegen ihrer Intrigen dann sogar Vorhaltungen machte, etwa der Musikwissenschaftler Guido Adler. Er war in jungen Jahren ein „Kampfgenosse“ des jungen Mottl gewesen, gemeinsam waren sie Gründungsmitglieder des „Akademischen Wiener Wagnervereins“ gewesen, und er stellte die Gräfin wegen ihrer Interventionen gegen Mahler zur Rede. Unnötig zu sagen, dass es auch der Antisemitismus waren, in dem sich der Wagner-Dirigent Mottl und die österreichische Aristokratin fanden…

Abgesehen von dem vergeblichen Versuch, Mahler zu entthronen und Mottl seine Stelle zu verschaffen, sind seine Briefe voll von Beschwerden gegen die Mitwelt, Berichten über seine Aktivitäten (so musste er sich vor der Gräfin verteidigen, dass er ein Engagement an die Met in New York annahm, wo es ihm aber auch nicht gefiel – „Amerika ist grässlich!“), sein Klatschen über Bayreuther Zustände und Personen, wobei er sich von Cosima zurück gesetzt befand, seltsame Urteile wie: das „Jüdische“ an Hofmannsthal sei für das Ordinäre im „Rosenkavalier“ verantwortlich…

Dennoch mag man es für tragisch erachten, wie das Schicksal dafür sorgte, dass Mottl doch nicht Hofoperndirektor wurde, auch nicht, als Mahler freiwillig aus dem Amt schied. Damals leitete Felix Mottl nämlich die Münchner Hofoper, wäre mit fliegenden Fahnen nach Wien geeilt, aber man entließ ihn nicht aus seinem Vertrag. 1911 starb er an einem Herzleiden, seine ewigen Ehekalamitäten waren neben vielen Enttäuschungen (seine Versuche als Komponist waren nicht erfolggekrönt) sicher auch an diesem frühen Ende beteiligt.

Bitter und sauer ist ihm seine Stellung in der Musikwelt geworden, ein Mann, dem man als Dirigenten Größe zusprach. Als Mensch nicht unbedingt, wie dieser Briefband zeigt, aus dem man viel lernt. Und sei es nur, aus wie vielen Ecken in Wien gegen einen Operndirektor geschossen wird…

Renate Wagner

 

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