Bregenzer Festspiele: „ANDRÉ CHENIER“, 18.7.2012
Eine Kinderkritik
Der “Merker“ hat im Juli vorweggenommen, was in Bochum anläßlich der Premiere von John Cages Oper „Europeas 1 & 2“ im August als neues Kulturprojekt vorgestellt wurde, nämlich Kinder begutachten Opern.Dr. Renate Wagner berichtete dies –in Vertretung von Anton Cupak- im Pressebericht vom 21.8.2012 im online-merker. Wikipedia war ihre Informationsquelle.
Wolfgang Mayer, Cellist, besuchte mit seinen Kindern Magdalena, sie wird im September 12 Jahre alt, und Matthias, der im Oktober 14 Jahre alt wird, die Premiere von „André Chenier“.
Dann baten wir die Kinder (übrigends zwei kluge und liebenswürdige junge Menschen), uns ihre positiven und/oder negativen Eindrücke zu schildern, eben Kritik zu üben. Und das ist sie, die Kinderkritik:
Magdalena:
° Für mich hätte man die lange Anfangs-Arie kürzen können
° Grandios, wie der Kopf aufgegangen ist
° Manchmal gab es zu viele Aktionen gleichzeitig, beispielsweise habe ich auf die Platte (mit der Hand) geschaut, von der viele ins Wasser sprangen. Danach war das Buch schon umgeblättert, die Augen offen, und die Café-Szene hatte schon begonnen.
° Cool: der Tanz auf dem Kopf, die Saltos ins Wasser
° Es wurde schön gesungen
° Die Sicht war sehr gut, aber manchmal musste ich die Sänger suchen
° Adel und Bettler waren gut unterscheidbar
° Den Austausch der Frauen -von Madeleine und der Gefangenen- habe ich nicht gesehen
° Den Schluß fand ich komisch; Chenier und Madeleine gingen nicht gemeinsam zur Verurteilung
° Unklar für mich war, welche Frau zum Schluss in den Spiegel gefahren wurde
Matthias:
° Mich haben die Effekte fasziniert; beispielsweise das Herausfahren der Stacheln, Öffnen des Halses und der Augen. Und dann war noch das in den Wasservorhang projizierte Bild, dann der Galgen und das „Abbrennen“ der übergroßen Kerzen
° Nur im ersten Teil konnte ich mitlesen, danach konzentrierte ich mich mehr auf das Bühnenbild, es war so viel zu sehen
° Oper ist normalerweise nicht meines, aber das war schon sehr interessant
° Coole Beleuchtung
° Das Richtungshören war super; waren viele Personen auf der Bühne, musste ich den/die Sänger/Sängerin heraussuchen
° Ich komme gerne wieder zu den Bregenzer Festspielen, sie sind einzigartig.
Anmerkung der Redaktion:
Kinder können im Allgemeinen nicht über Opern fachsimpeln. Was sie tatsächlich können ist, unvoreingenommen dem Geschehen folgen, und dann darüber reflektieren.
Naja, und dann ist eine genaue Kenntnis der Oper nötig, um den rasch wechselnden Handlungssträngen auf verschiedenen Plattformen genau folgen zu können, und das betrifft ganz bestimmt nicht nur Kinder.
Alles in allem, Magdalena und Matthias sind Opernpublikum von morgen.
Und, die Oper lebt.
Charlotte Pohl