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BREGENZ: SOLARIS von Detlev Glanert

23.07.2012 | KRITIKEN, Oper

Uraufführung bei den Bregenzer Festspielen: „Solaris“ von Detlev Glanert (Vorstellung: 22. 7. 2012)


Szene in der Raumstation: Dietrich Henschel (rechts) als Kris Kelvin und Martin Koch als Forscher Snaut (Foto: Karl Forster)

Neuerlich warteten die Bregenzer Festspiele, die heuer unter dem Motto „Erinnerung an die Zukunft“ stehen, mit der Uraufführung eines Auftragswerks im Festspielhaus auf: „Solaris“ von Detlev Glanert. Die Oper, deren Libretto Reinhard Palm nach dem gleichnamigen Roman von Stanislaw Lem verfasste, wurde in Koproduktion mit der Komischen Oper Berlin aufgeführt.

Der Inhalt der Science-Fiction-Oper in Kurzfassung: Der Psychologe Kris Kelvin, der auf eine Raumstation entsandt wird, die den fernen Planeten Solaris umkreist, erlebt dort seltsame Dinge. Gleich zu Beginn seines Aufenthalts wird er vor merkwürdigen Erscheinungen gewarnt, die die Bewohner der Station heimsuchen. Keinem der Männer scheint es zu gelingen, sich dieser merkwürdigen „Gäste“ wieder zu entledigen. Und auch Kelvins persönliches Schicksal holt ihn auf der Raumstation ein: Seine Frau Harey, die mit 19 Jahren Selbstmord beging, leistet ihm auf einmal wieder Gesellschaft. Es ist der gigantische Ozean des Weltalls, der all diese seltsamen Wesen materialisiert und damit die Schuldgefühle der Forscher mit unglaublicher Unnachgiebigkeit wieder in deren Leben projiziert. Geplagt von schuldvollen Erinnerungen erliegt der rationale Wissenschaftler Kelvin im Lauf der Handlung mehr und mehr irrationalen Gefühlen. Am Ende ist er von den allnächtlichen Besuchen jener Wesen, die der Planet aus den Erinnerungen eines jeden an Bord formt, am tiefsten betroffen. Als ihm klar wird, dass eine Rückkehr auf die Erde nicht mehr möglich ist, nimmt er Abschied von der Raumstation und reist zum Plasmameer des Planeten Solaris, der ihn schließlich verschluckt und damit verschwinden lässt.

Die Inszenierung der beiden Regisseure Moshe Leiser und Patrice Caurier bot dem Publikum äußerst plakative Bilder und auch einige dramatische Szenen, blieb aber dennoch oft kühl und steril, während Christian Fenouillat eine filmreife Raumstation auf die riesige Bühne des Festspielhauses stellte. Die Kostüme von Agostino Cavalca passten gut zu diesem Genre. Für einige kreative Lichteffekte sorgte Christophe Forey, die illustrativen Videoprojektionen stammten von Tommi Brem.

Als Psychologe Kris Kelvin konnte der Bariton Dietrich Henschel sowohl schauspielerisch wie auch stimmlich voll überzeugen. Mit großer Wortdeutlichkeit gelang es ihm, die unterschiedlichen Facetten seiner Rolle exzellent auszudrücken, wobei die Szenen mit seiner Frau Harey besonders packend waren, da die Sopranistin Marie Arnet ihm eine kongeniale Partnerin war. Sie spielte und sang ihre Rolle auf berührende Art.

Die beiden verwirrt wirkenden Forscher Snaut und Sartorius wurden vom Tenor Martin Koch und vom Basssänger Martin Winkler überzeugend dargestellt, wobei letzterer durch seine kräftige Stimme imponierte. Die „merkwürdigen Gäste“ auf der Raumstation wurden von der Altistin Bonita Hyman als „Negerin“, der Mezzosopranistin Christiane Oertel als „Alte Frau“ und der Sopranistin Mirka Wagner als „Zwerg“ rollengerecht gespielt und gesungen. Es gelang ihnen eindrucksvoll, für die vom Libretto gewünschte Unruhe zu sorgen. Eine wichtige Rolle war dem Chor zugedacht, der zwar unsichtbar blieb, aber als „Solaris-Stimme“ für akustische Akzente und atmosphärische Stimmung zu sorgen hatte. Der stimmgewaltige Prager Philharmonische Chor (Leitung: Lukáš Vasilek) füllte diese Aufgabe hervorragend aus.

Die schillernde und farbenreiche Partitur des Komponisten, die oftmals aufwallend bedrohlich klang, aber stets tonal war und zu Beginn der Ouvertüre so leise Töne hatte, dass der Intendant David Pountney bei seiner Begrüßung vor der Vorstellung das Publikum humorvoll bat, ihm jetzt noch eine „Husten-Symphonie“ zu bieten, lag bei den festspielerfahrenen Wiener Symphonikern unter der Leitung von Markus Stenz in den besten Händen. Zur Freude von Detlev Glanert, der am Schluss vom Publikum genauso frenetisch gefeiert wurde wie alle Mitwirkenden.

Udo Pacolt, Wien – München

PS: Die letzte Vorstellung von „Solaris“ findet im Bregenzer Festspielhaus am 25. Juli statt.

 

 

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