
Im Zeichen der Völkerverständigung: Pharaonensohn Sunnyboy Dladla mit der Hebräerin Clarissa Costanzo (Fotocopyright Karl Forster/Festspiele)
BREGENZ Festspielhaus
MOSES IN ÄGYPTEN von Gioachino Rossini
20.Juli 2017 Premiere
Im Puppentheater
In Koproduktion mit der Oper Köln zeigten die Bregenzer Festspiele als Hausproduktion Rossinis erste Fassung jener biblischen Geschichte, die als „Mosé in Egitto“ von den Plagen in und letztlich des Exodus, der Flucht des hebräischen Volkes aus Ägypten mit der berühmten Teilung des Roten Meeres handelt.
Keine Frage, gerade letztere Bühnenrealisierung mit dem Teilungswunder wirft doch genügend Fragen der Realisierung auf, Regisseurin Lotte de Beer hat sich dazu die holländische Theatergruppe Hotel Modern mit an Bord geholt, die Ihr mit den Techniken des Puppentheaters einerseits und historischen Imaginationen der Projektionstechnik andererseits aushalf. Waren es seinerzeit die Wunder der Laterna Magica, die mit Einsatz von Kerzenlicht Illusionistisches an die Vorhänge oder Leinwände der Bühnen zauberten, so sind es heute videounterstützte Großprojektionen, die den Einsatz ganzer Massen, bei Hotel Modern bestehend aus winzigen und kaum 10 cm großen, handgefertigten Püppchen illusionieren.
Der Gruppe Hotel Modern, die heuer mit ihrer Produktion „Der Ring in 90 Minuten“ ebenfalls in Bregenz gastiert, kann man bei der Vorführung ihrer Arbeit auf offener Bühne zusehen, wie sie mit ihren filmischen Vorlagen, Geräten und Kameras zwischen all dem hebräischen Gewusel und den familiären Auseinandersetzungen bei Pharaos die Projektionen herstellt. Sehr heutig wirkend etwa ist die Kamerafahrt über eine zerstörte und zerbombte Stadtszenerie, ebenfalls aufgebaut als kleines Modell, die während der berührenden Klage der Amaltea über die ewigen Kriege, bewegend von Mandy Fredrich als Pharaonengattin umgesetzt, abläuft. Da wirkten unsere heutigen TV-Erfahrungen mit dem Nahen Osten nach.

Die Preghiera. Im Vordergrund die Darsteller auf der Bühne, im Hintergrund die Videoprojektion der Puppen. Fotocopyright Karl Forster/Festspiele
Und natürlich die volksreiche Durchschreitung des Roten Meeres, die trotz einer Hundertschaft der winzigen Statisterie, es bei der Video-Übertragung auf den Bühnenhintergrund schafft, tatsächlich auch Einzelschicksale zu zeigen.
Eines weiteren, aber gar alten Regiegags konnte sich die die junge holländische Regisseurin nicht enthalten: In einer Art „Theater auf dem Theater“ lässt Sie ein (natürlich nicht echtes) Hilfsregiepärchen ständig an der Personenaufstellung auf offener Szene arbeiten, winkt mal da, schubst mal dort oder zieht an ihren Gewändern die Mitglieder der Pharaonenfamilie oder, von Moses abwärts, die einzelnen Gestalten der Hebräer, um deren offenbar beste Aufstellung in der Masse oder in Duetten, Terzetten oder Ensemblestellen sicherzustellen. Das wirkt anfangs komisch und später immer merkwürdiger bis es zu einer lästigen Manie ausartet.
Natürlich sind die immer wieder in Rezitativen und Arien erstarrenden Personen nicht leicht zu lenken und deren Momente gibt es viele an der, trotz der feinen Kompositionsarbeit Rossinis doch etwas ermüdenden Erzählfront, die nur selten durchbrochen wird von aktivem Leben, bis man endlich im dritten Akt zum bewegenden musikalischen Höhepunkt, der berühmten „Preghiera“ kommt, dessen Bedeutung in der italienischen Musikgeschichte gemäß Programmheft nur ein „Vergleichsstück“ hat, nämlich den Gefangenenchor „Va pensiero“ aus Verdis „Nabucco“.
Durch die raffinierte Instrumentation der ersten und zweiten Strophe mit Harfe, gezupften Streichern und solistischen Holzbläsern wirkte die dritte Strophe überwältigend mit ihrem vollen Orchesterklang bei der Uraufführung des „Gebetes“ und enthusiasmierte das damalige Publikum. „Man kann sich den Donnerschlag nicht vorstellen, der im ganzen Saal widerhallte; man hätte meinen können, das Theater bricht zusammen. Die Zuschauer in den Logen – stehend und den Körper hinausgebeugt, um zu applaudieren-schrien aus Leibeskräften: `Schön! Schön! O wie schön!“ Das war zumindest zu Rossinis Zeiten so, als Stendhal den „Mosé“ in einer späteren Vorstellung besuchte, in der dieser nachkomponierte Chor zum ersten Mal erklang.
Nun war auch in Bregenz die Begeisterung im Saal einigermaßen, die verrückten Rossini-Zeiten werden wir in dieser Form heute wohl nicht mehr erleben können.

Die Sonnenfinsternis. In der Mitte, knieend Goran Juric, rechts der Pharao Andrew Foster-Williams, ganz rechts der Pharaonensohn Sonnyboy Dladla Fotocopyright Karl Forster/Festspiele
Auf der Bühne waren einerseits die Götter selbst vertreten und wie bei den nördlichen Gegenstücken als Familie unter sich. Der Pharao wortdeutlich und sonor, mit manchmal etwas exaltiert hinausposaunten Höhen: Andrew Foster-Williams, die schon erwähnte Mandy Fredrich als Frau Pharao in ihrem ausdrucksstark vorgetragenem Leid als heimliche Hebräerin und der ganz köstlich als dandyhafter Thronfolger Osiride auftretende Sunnyboy Dladla mit höhensicherem und eigenartig gefärbtem Tenor, eine Art altägyptischer Florez, dessen Tod im 2.Akt man bedauern musste.
Als heimliche Geliebte Osirides fällt die Hebräerin Elcia in der jungen Süditalienerin Clarissa Costanzo mit sicheren Koloraturen positiv auf, dem Mosé, als Prophet ein direkter Ansprechpartner für den Kontakt mit seinem jüdischen Gott und daher Organisator diverser Plagen und einer Sonnenfinsternis war in Händen des schönstimmigen Goran Juric, von dem man sich mehr autoritäre Durchschlagskraft gewünscht hätte. Und dann gab es noch den Aronne des Matteo Macchioni und dessen Schwester Amenofi mit dem Mezzo Dara Savinova, deren schöne Stimme im Mozarteum Salzburg ausgebildet wurde.
Der Prager Philharmonische Chor sandte ein inniges Gebet ab, die Wiener Symphoniker unter der hervorragenden musikalischen Leitung von Enrique Mazzola wuchsen im Rossini Sound über sich hinaus. Um so Rossini zu dirigieren muss man wohl in Barcelona geboren und in Mailand zum Studium gewesen sein.
Dem Publikum gefiel es, der farbige, quirlige Südafrikaner Dladla bekam den meisten Applaus ab und auch beim Erscheinen des Regieteams war nur wenig Einwand zu vernehmen.
Peter Skorepa
OnlineMerker