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BREGENZ/Festspielhaus: Berthold Goldschmidt BEATRICE CENCI

20.07.2018 | Allgemein, Oper


Unter den Kerzen das gespendete Gold. Rom wie zu allen Zeiten!                                                                        (Copyright: Bregenzer Festspiele/ Karl Forster)    

BREGENZ Festspiele 2018
Großes Festspielhaus

Berthold Goldschmidt    BEATRICE CENCI

Premiere 18.Juli 2018         Von Peter Skorepa – OnlineMERKER

 

Wer sich auf Grund der literarischen Vorlage oder überhaupt der tatsächlichen historischen Begebenheiten um die Familie Cenci einen „Reißer“ im Sinne des Verismo erwartet hat, wer aufwühlende Musik im überbordenden Stil eines postmodernen Musikdramas der Fünfziger vermutet hätte, für den ist es nicht verwunderlich, dass man erst rund vier Jahrzehnte nach der Komposition des Dramas-  für einen Wettbewerb im Jahre 1950 – auf dieses Werk so richtig aufmerksam wurde. Erst 1994 kam es zur  szenischen Uraufführung in Deutschland und damit zu späten Ehren für den damals über neunzigjährigen Berthold Goldschmidt. Denn da begann die Komposition wieder „modern“ zu werden, gemäßigt wie man damals sagte, mit all ihren geliehenen Elementen an Dissonantem.

Ja, trotz der Handlungselemente, der im 16. Jahrhundert durchaus in italienischen Adelskreisen üblichen Morde und Bestechungen, die im vorliegenden Stück noch dazu bis zur Vergewaltigung und „Sodomie“ reichten – wie damals Homosexualität genannt wurde“ – ließ sich für alle diese Todsünden Rom deren Vergebung von Francesco Cenci abkaufen – aber nicht durch Gebete, sondern durch Unsummen an Geld und Besitztümern, die dessen Vater vorher als Generalschatzmeister der Apostolischen Kammer unterschlagen hatte.

Hier setzt die Oper ein, in die Verstrickung Francescos in den Mord an seinen beiden Söhnen, dem ausschweifenden Leben des Potentaten unter sexueller Bedrohung und Vergewaltigung der Tochter und deren Stiefmutter und deren beider öffentlicher Demütigung. Der Mordplan an ihrem Vater reift bei Beatrice, die Tat wird beauftragt, aber die Beseitigung des Leichnams jedoch misslingt, der Mord wird aufgedeckt, nach durch Folter erzwungener Geständnisse werden die beiden Frauen hingerichtet. Pikanterweise am Fuße der Engelsburg.

Martin Esslin hat nach den Drama The Cenci von Percy Shelley das Libretto ganz im Sinne Goldschmidts als „Belcanto-Oper“ eingerichtet, „mit dankbaren Partien“ (So die Eigendefinition des Komponisten). Die brutalen Momente wie Mord, Vergewaltigung und Hinrichtung durfte der Librettist entfallen lassen, der Komponist konnte sich so auf die Entfaltung seelischer Komponenten bei seinen Protagonisten konzentrieren, seine Musik ist eher dämpfend als die Brutalität des Stoffes zu einer Steigerung zu veranlassen, der Tonfall bei den beiden verurteilten Damen durfte sich eher zur Lamentation hin, als zu hysterischen Ausbrüchen neigen.

Sie predigten Wasser …und hatten das Rezept gegen Todsünden und für ewige Gnade: Gold!
(Bild: C Karl Forster)

Durch Auslassung der äußerlich dramatischen Ereignisse im Libretto hatte es das Leading-Team einigermaßen schwer, Spannung aufrecht zu erhalten. So konzentrierte sich der Regisseur Johannes Erath mehr auf die eigentlichen Todsünden in diesem Stück, nämlich jene der katholischen Kirchenleitung Roms, die ihr persönliches Sodom und Gomorrha ausleben durfte, noch dazu auf der Breitwandbühne des großen Festspielhauses. Mit Goldmünzenhaufen und nackter Haut inklusive. Dazu gestaltete er einen perspektivisch ansehnlichen Hochblick aus dem Brunnengefängnis, in dem die verzweifelte Cenci ihres Schicksals harrte.

Ebenfalls ansehnlich die der Renaissance nachempfundenen Kostüme, phantasievoll aufgepeppt von Katharina Tasch mit einem nicht zu übersehenden, aber etwas seltsam anmutenden Silberjackett und Mikro für den Vater der Titelheldin. Die Bühne (Katrin Conan) wurde von einem riesigen Kreisrahmen umschlossen und zeigte sich mit entsprechender Beleuchtung und den Projektionen mit teils alten Motiven (Bernd Purkrabek) und bei den verschiedenen perspektivischen Tiefen als wirkungsvolle moderne Theaterbühne.

Francesco Cenci konfrontiert seine Tochter mit deren abgefangenen Briefen, in denen sie den Bruder um Hilfe bat. Christoph Pohl und Gal James       (Foto C Karl Forster)

Christoph Pohl verkörperte den Vater der Cenci, mit jünglinghaft lockerem agilem Spiel und mit nur sprödem, wenig gefährlich wirkenden Bariton, so dass man die fürchterliche Wirkung vermisste, die dieser Mann eigentlich ausstrahlen sollte. Zumindest für uns heutige. Lucrezia, seine zweite Frau wurde von Dshamilja Kaiser gesungen, strahlte stimmliche Überlegenheit über den Familienvater aus und tröstete die Titelheldin.

Ja diese kleine Titelheldin, Gal James, etwas durch ihr umfassendes Kostüm behindert, die fasste den großen Entschluss zum Mord. Sie stellte die Folgen des ihr zugefügten Leides in kleinen Gesten und oft mit einem in den Raum gestellten kraftlos-tonlosem und zurückgenommenem Klang ihrer Stimme, dann wieder durch glasklare Ausbrüche dar und berührte zuletzt durch ihr kleines Arioso. Eine schöne Leistung.

Bildmächtiges á la Piranesi aus den Vatikanischen Kerkern: Beatrice Cenci im Gefängnis (Foto: C Karl Forster)

Bernardo, der Halbbruder der Cenci, der ja im Prozess „nur“ die lebenslange Galeere ausfasste, war Christina Bock, Orsino fand in Michael Laurenz einen guten Darsteller mit eindringlichem Tenor, Camillo wurde von Per Bach Nissen gesungen, die beiden Auftragsmörder von Wolfgang Stefan Schweiger und Sébastien Soulès.

Johannes Debus war der musikalische Leiter, forderte aber die Wiener Symphoniker und den Prager Philharmonischen Chor scheinbar nicht zur Gänze heraus, da wäre agogische Schärfe und Profilierung noch anzubringen gewesen.

Eine interessante Begegnung allemal, das Publikum akklamierte den Abend eindrücklich, die Repertoiretauglichkeit ist wie immer bei solchen Ausgrabungen fraglich.

Peter Skorepa
OnlineMERKER

 

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