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BRAUNSCHWEIG/Staatstheater: DER WILDSCHÜTZ – Neugeburt für Albert Lortzing. Premiere

Braunschweig: „DER WILDSCHÜTZ“ – Neugeburt für Albert Lortzing
Premiere 12.3.2022


Copyright: Staatstheater Braunschweig/Joseph Ruben

Über die Grazer Sopranistin Sieglinde Feldhofer hatte ich erfahren, dass in Braunschweig eine Neuinszenierung dieser Lortzing-Oper geplant sei, in der sie die Baron Freimann singen werde. Es stellte sich dann heraus, dass es unzählige Anreisende zu dieser Premiere gab, die ebenso seit langem bedauert haben, dass man diesen großartigen Theaterkomponisten heutzutage so selten spielt. Unsere Bremer Mitarbeiterin Gisa Habitz, mit der zusammen ich die Vorstellung besuchte, erzählte mir, dass Lortzing wesentlich zu ihrer lebenslänglichen Opernliebe beigetragen habe, so wie es auch mir dank der Aufführungen am Linzer Landestheater ergangen ist. Wir konnten nun beide feststellen, dass wir noch nie eine so wunderbare, köstliche „Wildschütz“-Inszenierung gesehen hatten wie gestern am Staatstheater Braunschweig.

Die Regisseurin Andrea Schwalbach, Bühnenbildner Stephan von Wedel und Kostüm-Verantwortlicher Pascal Seibicke hatten sich geeinigt auf eine Biedermeier-Gewandung sämtlicher Akteure – mit Überbetonung der zu schwingenden Reifröcke und von attraktiven Oberteilen bei den Damen sowie noblen Herrenkostümen, alles sehr farbreich und ästhetisch, aber mit einer komischen Note, die besagte, dass doch alles nur Spiel ist. Und ganz groß herausgearbeitet war der Kopfaufputz bei den Damen, mit jeder Variante hochgesteckter und in die Breite gezogener Haare oder Blumenzubehör. Je nach Charakter der einzelnen Personen überdreht (am meisten bei der ohnedies groß gewachsenen Gräfin mit dem Antikenfimmel). Auch etwas überschminkt waren die Damen mit extra roten Wänglein. Alles in allem aber in allen Szenen ein sehr attraktiver Anblick! Vor leicht verschiebbaren Zwischenwänden wurde der jeweilige Schauplatz erkennbar. Unverkennbar die Ironie des Ganzen, kulminirend in der humorigen Schlusserkenntis aller: „Sie hat mich nicht getäuscht, die Stimme der Natur.“

Optimal dazu passend das Dirigat des Italieners Mino Marani mit dem Staatsorchester Braunschweig, das den ganzen Lortzingschen Witz, seine bezwingende Melodik und totale Übereinstimmung von Musik, eigenem Text und Bühnengerechtigkeit herüberbrachte. Und die singende und glänzend agierenden Bühnenpersönlichkeiten: eine/r besser als der/die andere! Lauter bestens passende, schöne Stimmen und köstliche RollengestalterInnen zwischen Ernst und Komik.
Beginnend mit den amüsanten Verkleidungen von Baronin Freimann und der Zofe Nannette zwecks Überprüfung von Reaktionen des anderen Geschlechts während der Ouvertüre, fortgesetzt mit der ersten bunten Chorszene, jedes Chormitglied mit eigenem Profil, konstatierte man den ganzen Abend hindurch eine leicht ironische Rollengestaltung, der mühelos zu entnehmen war, dass die uns im Rückblick ach! so edel dünkende Biedermeierkulisse und -gewandung hintergründig anders Geartetes mitbeinhaltete…

Die Solisten: Kein Wunder, dass Sieglinde Feldhofer, in Graz vornehmlich mit Operetten- und Musical-Rollen eingesetzt, nun beweisen konnte, dass sie auf dem Opernsektor ebenso Erstrangiges zu bieten hat. Sie kann mit ihrem offenbar mühelos ansprechenden, schönen, in allen Lagen gleich souveränen Sopran alles ausdrücken, was die jeweilige Rolle verlangt, und ist eine hinreißende Schauspielerin. In der quasi Doppelrolle als Baronin Freimann und dem verkleideten Studenten durfte man sich mitunter schieflachen. Total konträr die Gräfin von Isabel Stüber Malagamba mit ihrem Antiken-Wahn, zu dem ihr Mezzo die richtige Farbe bot. Gretchen, Ziehtochter und begehrte Ehefrau es Schulmeisters, wurde von Jelena Bankovic vielschichtig dargestellt, artikuliert und gesungen. Nanette in Gestalt von Milda Tubelyte ko-agierte trefflich mit den anderen Bühnenfiguren. Köstlich, großgewachsen, gute Figur, an den Brillen als Gelahrter erkennbar, sang Rainer Mesecke den Baculus mit sehr schönem, ebenmäßig geführtem Bass und ohne jegliche Übertreibung seiner Irrtümer. Als Graf von Eberbach mit angenehmem, kräftigem Bariton reussierte Maximilian Krummen in der zwiespältigen Männerrolle. Und einen ausgezeichneten Tenor gab es ebenfalls: den Koreaner Kwonsoo Jeon, humorvoll agierend und mit schöner, in allen Lagen sattelfester Stimme. Als Pankratius ergänzte sehr gut Mike Garling. Großartig sämtliche Chormitglieder.

Der Schlussapplaus für jeden einzelnen und alle gemeinsam wollte nicht enden, bis der fallende Vorhang es nötig machte.

Soviel in Kürze. Weitere Details im Merkerheft April.

Sieglinde Pfabigan

 

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